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Aus meinen Notizb�chern: Heft VI

 


Heft VI


Vorbemerkung:
Die folgenden Texte aus meinen Notizb�chern habe ich nicht für die Ver�ffentlichung sondern für mich selber geschrieben, um meine eigenen Gedanken festzuhalten und zu klären. Sie haben deshalb einen vorl�ufigen Charakter, insbesondere was die benutzte Terminologie betrifft. Trotz z. T. grundlegender überarbeitung sind diese Notizen auch in der Formulierung holpriger als andere Texte der Ethik-Werkstatt. Es sind m. E. darin jedoch Gedanken enthalten, die für die Entwicklung einer normativen Theorie der kollektiven Entscheidung und für die Ethik allgemein von Interesse sein können. Wo ich heute anderer Ansicht bin als damals, habe ich dies manchmal in eckigen Klammern hinzugef�gt und begr�ndet.

*VI-1*
Das Besondere an der Moral der Bergpredigt ist, dass hier die Befolgung der g�ltigen Norm gefordert wird, unabh�ngig davon, ob der andere sie ebenfalls befolgt: "Wenn dir einer auf die rechte Backe haut, so halte ihm auch noch die linke hin!"

*VI-2*
Kant macht die Befolgung g�ltiger Normen ebenfalls nicht von der Befolgung durch andere, also von der Existenz der Norm abh�ngig. wäre sonst sein Imperativ nicht mehr kategorisch? Der Kategorische Imperativ tut zwei Schritte � Normsetzung und Normbefolgung � in einem.

*VI-3*
Beim Verfahren des "unparteiischen Dritten" bzw. des "uninteressierten Beobachters" kann die Einigung dadurch hergestellt werden, dass sich die Beteiligten in einem ersten Schritt auf die Auswahl der Schiedsinstanz einigen, deren Spruch für die Beteiligten verbindlich sein soll. (Sofern es eine Zwangsschlichtung mit einer vorgeschriebenen Schiedsinstanz gibt, muss es andere anerkannte Normensysteme geben, auf die man zur�ckgreifen kann).
Auch hier besteht für die Beteiligten ein Moment der Ungewissheit über die Situation, in der sie sich schlie�lich befinden werden. Man verpflichtet sich deshalb im Voraus zur Befolgung des Schiedsspruches, gleichg�ltig wie er dann tats�chlich ausf�llt. (Wenn eine Partei den Schiedsspruch ablehnen kann wie bei manchen Tarifauseinandersetzungen, �bt der Spruch der Schiedsinstanz nur einen sozialen Druck aus.)
Das Problem ist, nach welchen Kriterien der Schiedsrichter entscheiden soll. Er muss ja irgendeine Form der Interessenabw�gung und der Anwendung normativer Prinzipien vornehmen. Deren Inhalt ist das Interessante. Zu sagen, dass der Schiedsrichter unparteiisch, unbefangen, uninteressiert und gleich wohlwollend gegenüber die Parteien sein soll, l�st das Problem der inhaltlichen Entscheidungsfindung nur zum Teil.

*VI-4*
Ein weiteres Verfahren, das ein Zwischending zwischen unparteiischem Dritten und direkten Verhandlungen darstellt, ist der Vermittler. Er muss ebenfalls unparteiisch sein und darf nicht heimlich einer Seite verbunden sein. Er hat jedoch selber keine Entscheidung zu f�llen, sondern er hat nur durch Formulierung von Kompromissen zwischen den Positionen der Parteien und durch deren argumentative Vertretung gegenüber beiden Parteien deren Positionen einander solange anzun�hern, bis es zu einer gemeinsam akzeptierbaren Entscheidung kommt. Er muss dabei Erfindungsgabe in der Formulierung neuer Alternativvorschl�ge besitzen und er muss die Interessenstruktur beider Seiten und ihre Kompromissbereitschaft einsch�tzen können.

*VI-5*
Das entscheidende bei "friedlicher" Konsensbildung durch Schiedsinstanzen, Vermittler, Verhandlungen etc. ist oft, dass im Falle der Nicht-Einigung der Konflikt andauert und bis zum Kriegszustand eskalieren kann. Je nachdem, wie sehr eine Partei diesen Zustand fürchten muss, wird sie mehr oder weniger zu Zugest�ndnissen bereit sein. So kann eine Partei im Kriegsfall versuchen, die andere Partei "an den Verhandlungstisch zur�ck zu bomben", d.h. ihr den Kriegszustand so nachteilig zu gestalten, dass sie es vorzieht, stattdessen lieber zu verhandeln und Zugest�ndnisse zu machen.

*VI-6*
Kompromisse schlie�en, geben und nehmen, leben und leben lassen, Zugest�ndnisse machen, Entgegenkommen zeigen, sich vertragen, einwilligen, verabreden, vereinbaren etc.
Einmal die sprachlichen Formulierungen zur Konsensbildung zusammen stellen.

*VI-7*
Erfordert das Intersubjektivit�tsgebot, dass jeder zu Abstrichen von seinem Eigeninteresse bereit sein muss? (... sofern es der andere ebenfalls ist?)

Man muss das Normfindungsproblem als ein st�ckweises Aufbauen und ähnlich betrachten, wo beim Zerbrechen eines Teils nicht gleich der ganze Bau zusammenbrechen muss. Das Zur�ckfallen in den Status quo muss deshalb nicht immer Krieg bedeuten. Es kann auch ein bereits bestehendes partielles Normensystem sein.

*VI-8*
Verhandlungen als Mittel der Konsensbildung: Auch hier spielt die Alternative des Nicht-Verhandelns bzw. des ergebnislosen Verhandelns eine wichtige Rolle. Die Grenze für m�gliche Verhandlungsergebnisse ist durch die Bewertung des Status quo von Seiten der Verhandlungspartner gegeben. Eine Partei wird dann die Verhandlungen abbrechen, wenn sie nicht mehr auf ein Verhandlungsergebnis hoffen kann, das für sie besser ist als der Status quo. Kein Verhandlungsergebnis darf für eine der Parteien schlechter sein, als es der Zustand ohne Verhandlungsergebnis wäre. Sonst h�tte sie "irrational" gehandelt und m�sste den Vertragsabschluss nachtr�glich für falsch erklären.

Der Status quo muss nicht statisch sein, er kann sich durch Entwicklungen st�ndig ver�ndern, worauf eine schwache Partei u. U. nur geringen Einfluss hat. "Status quo" hei�t also nicht: "Zustand wie im Augenblick" sondern: "Zustand angesichts der zu erwartenden Entwicklung der Dinge".

*VI-9*
Verbindlichkeit hei�t im Falle eines Vertrages: "Ich binde mich (bzw. meinen Willen) für die Zukunft und zwar binde ich mich freiwillig." (Dies ist die Funktion jedes Versprechens.) Selbst wenn ich sp�ter den Vertrag nicht mehr einhalten m�chte, bleibt er für mich verbindlich.

*VI-10*
Zum Vertrag. Man muss unterscheiden zwischen dem Willen, die eigenen Leistungen bzw. übernommenen Pflichten nicht zu erbringen � also den Vertrag zu verletzen, und der Einsicht, dass es besser gewesen wäre, man h�tte den Vertrag niemals geschlossen.
Im einen Fall will man die Norm verletzen, obwohl man sie für g�ltig h�lt. Im andern Fall gibt es die nachtr�gliche Einsicht in die Ung�ltigkeit der gesamten Norm.
Dass eine Partei einwilligt, und sp�ter diese Einwilligung für falsch h�lt, ist eine Einigung aufgrund falscher Informationen und Schlussfolgerungen, eine "irrt�mliche Einigung".

*VI-11*
Wie kann man das Ziel begr�nden, solche irrt�mlichen Zustimmungen m�glichst zu vermeiden? Man k�nnte sagen, dass jeder ein Interesse an der Vermeidung eigener Irrt�mer hat. Kann man daraus ableiten, dass Zustimmungen ung�ltig sind, die auf Irrtum beruhen? Dann wären jedoch auch Normen ung�ltig, die auf ung�ltigen Zustimmungen basieren.
Eine andere Frage ist, ob diese Normen mit ihrer G�ltigkeit auch ihre Verbindlichkeit verlieren. Das Prinzip der Verbindlichkeit bezieht sich unmittelbar auf das Handeln. Insofern es sinnvoll ist, dass nicht jeder theoretische Zweifel und Streit zu einer Beliebigkeit des Handelns und zu einem R�ckfall in den offenen Konflikt f�hrt, muss die Verbindlichkeit von Normen vom Streit um ihre G�ltigkeit gel�st werden. Dies kann aber keine v�llige Losl�sung bedeuten, denn der Schaden, der durch eine rigide Festlegung auf absolute Verbindlichkeit entsteht, kann unertr�glich gro� sein.

*VI-12*
Sprachliches:
"Vereinbarung" � die beiderseitigen Willen (Interessen) miteinander vereinbar machen;
"übereinstimmung" � die Individuen" stimmen" über ein, in einem Sinne; sie sagen dasselbe;
"Einstimmigkeit" � die Individuen sprechen mit einer Stimme;
"Konsens" � die Individuen haben einen "gemeinsamen Sinn";
"Vertrag" � die Individuen vertragen sich;
" Abmachung" � die Individuen machen ab.

*VI-13*
Der normale Vertrag wird von den vertragschlie�enden Parteien vor dem Hintergrund des Status quo eingegangen. Im Status quo sind die MachtVerhältnisse der Parteien und ihre Sanktionsf�higkeit eingeschlossen. Dies macht den normalen Vertragskonsens abh�ngig von Zust�nden, die ebenfalls Gegenstand einer vertraglichen Regelung sein k�nnten, es aber nicht sind.
Dadurch, dass die Verhältnisse, die nach gemeinsamen Willen erst noch geregelt werden m�ssten, die Willen der Einzelnen und damit den gemeinsamen vertraglichen Willen bestimmen, bleibt der erzielte vertragliche Konsens normativ problematisch.
Anders formuliert: Dadurch, dass ein Individuum durch seine überlegene Macht die Alternative der Nicht-Einigung für den Anderen gestalten kann, kann es Einfluss auf dessen Wollen nehmen.

*VI-14*
Wenn ein Individuum faktisch von einem anderen abh�ngig ist, muss es dessen W�nschen entgegenkommen. (Es sei denn, es besteht eine wechselseitige Abh�ngigkeit. Hier kommt es darauf an, wer abh�ngiger ist.) Wer stark genug ist, um sich zu nehmen, was er braucht, und stark genug, um den Anderen zu dem zu zwingen, was er will, der kann dem andern die Vertr�ge diktieren. Ein Beispiel hierfür sind die Vertr�ge nach verlorenen Kriegen: Auch noch die bedingungslose Kapitulation einer Partei kann vertraglich vereinbart werden (was dann abwertend als "Diktat" bezeichnet wird.)

*VI-15*
Sogar an ihrer eigenen bedingungslosen Kapitulation kann eine Partei ein Interesse haben und ihr zustimmen: zum Beispiel, um das Fortdauern des Krieges und damit die weitere Vernichtung von Menschen und G�tern durch einen überlegenen Gegner zu verhindern.

*VI-16*
Je deutlicher die überlegenheit einer kriegf�hrenden Partei ist, umso schlechter werden die Bedingungen eines Waffenstillstands für die unterlegene Partei, die deshalb versucht, durch fr�hzeitige Kapitulation zu einer "glimpflichen" Vereinbarung zu kommen.

*VI-17*
Die verhandelnden Parteien gehen von den eigenen Interessen und dem bestehenden Status quo aus. Sie sind deshalb ungeeignet, den Status quo selber normativ infrage zu stellen.

*VI-18*
Wenn eine Schiedsinstanz verbindliche Beschl�sse f�llt, ist ein Zwang zum Konsens hergestellt, der die Drohung des Status quo aufheben kann. Allerdings stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien der Schiedsmann entscheiden soll. Seine Entscheidung setzt implizit ein für alle verbindliches Normensystem voraus, das erst noch zu entwickeln ist.

*VI-19*
Eine M�glichkeit, um den Druck des Status quo zu beseitigen, sind Verhandlungen mit einem Konsenszwang. Dann kann keine Seite mit dem Abbruch der Verhandlungen drohen, man ist gewisserma�en zur Einigkeit "verurteilt". Dieser Zwang zum Konsens kann physischer Natur sein, indem man die Parteien in einen Raum schlie�t und keiner den Raum verlassen darf, bevor man sich nicht geeinigt hat. (So zum Beispiel bei der Papstwahl). Aber vielleicht setzen sich bei einem solchen Verfahren nur diejenigen durch, die die l�ngste Ausdauer haben, die am dickk�pfigsten sind, die mit den Strapazen einer solchen Sitzung am besten fertig werden usw. usf. (Man m�sste hier einmal reale Beispiele heranziehen.)

*VI-20*
Ein Konsens scheint nur dann m�glich, wenn die Individuen sich von ihren eigenen Interessen l�sen, die sich aus ihrer jetzigen Lage ergeben, und sich für die Entscheidung jeweils auch "in die Lage des anderen hineinversetzen". (Der Status quo ist der reale Ausgangspunkt, d.h. die Umstellungskosten beim Wechseln auf ein bestimmtes normatives System m�ssen in die überlegungen mit einbezogen werden.)

*VI-21*
Es wird gefordert, dass jeder einzelne sich auf den Standpunkt auch aller anderen stellt und von dort her ein "allgemeines Interesse", einen allgemeinen Willen (volont� g�n�rale) mit der Ausrichtung auf das "Gemeinwohl" formuliert. Dies ist nicht die für jeden individuell die beste Ordnung, gemessen am Status quo. Das Letztere wäre das Prinzip der Pareto-Optimalit�t, w�hrend man das Prinzip, als Individuum vom Standpunkt aller aus zu entscheiden als "Prinzip der Solidarit�t" bezeichnen k�nnte.)

*VI-22*
Was hei�t es nun genau, dass ein Individuum "vom Standpunkt aller her" das g�ltige Normensystem bestimmen soll?

*VI-23*
Um die Sache nicht zu verkomplizieren, soll vorerst nur zwischen zwei alternativen Normensystemen ausgew�hlt werden, dem normativen Status quo (N1) und einem anderen Normensystem (N2) und es soll gefragt werden, ob vom Standpunkt des Kollektivs aus N1 gegenüber N2 oder umgekehrt N2 gegenüber N1 vorgezogen werden soll (Es geht hier also um eine Rangordnung.)

*VI-24*
Das beurteilende Individuum (B) hat sich nun in die Lage des ersten Individuums (P1) zu versetzen und zu fragen, ob aus dessen Sicht die Alternative N1 oder N2 vorzuziehen ist.
Dann muss sich B in die Lage von P2 versetzen und wiederum fragen, ob vom Standpunkt von P2 aus gesehen N1 oder N2 vorzuziehen ist und so weiter bis Pn. (n steht für die die Zahl der von der Entscheidung betroffenen Personen. Von den Umstellungskosten wird hier abgesehen.)

Damit ergeben sich für das beurteilende Individuum B n ordinale Rangfolgen, zum Beispiel für Individuum P1: N1 > N2 (Das Zeichen ">" bedeutet "ist besser als" bzw. "wird vorgezogen gegenüber".) Dies ist für alle Individuen (P1, P2, � bis Pn) durchzuf�hren (Hier wäre vom rationalen individuellen Interesse der Individuen auszugehen. )

Im Falle unterschiedlich gelagerter individueller Interessen der n Personen wird sich nicht für alle die gleiche Rangfolge ergeben. für einige Individuen wird sich m�glicher Weise N2 > N1 ergeben.

Das beurteilende Individuum B muss nun entscheiden, ob für das Kollektiv als Ganzes N1 oder N 2 besser ist.

Dazu muss es die Rangordnungen für die Individuen P1 bis Pn zu einer kollektiven Rangordnung zusammenfassen (aggregieren).

Wie kann dies bewerkstelligt werden? Rangpl�tze, d. h. Ordinalzahlen wie 1., 2., 3. usw. lassen sich nicht addieren. Bei einem Kollektiv von 10 Individuen, also n = 10, mag sich zum Beispiel ergeben, dass für 8 beurteilte Individuen gilt: N1 > N2, w�hrend sich für 2 beurteilte Individuen die Rangordnung N2 > N1 genannt wurde.

Wenn man die Rangzahlen der Alternativen kardinal interpretiert und addiert, ergibt sich für N1 (8 x 1 + 2 x 2 =) 12 und für N2 (2 � 1 + 8 � 2 =) 18. Man muss dazu die Annahme machen, dass die Nutzendifferenz zwischen der Alternative auf dem 1. und der Alternative auf dem 2. Rangplatz für alle beurteilten Individuen P1 bis P10 gleich gro� ist. In der Sprache der Pr�ferenztheorie w�rde man sagen: Die Individuen P1 bis P10 pr�ferieren N1 gegenüber N2 bzw. N1 gegenüber N2 mit der gleichen absoluten Intensit�t.

Wenn man nicht nur fragt, ob für ein bestimmtes Individuum N1 oder N2 vorgezogen wird, sondern zus�tzlich fragt, welche Intensit�t diese Pr�ferenz besitzt, so kann man die Rangpl�tze kardinal als Ma� für die "Pr�ferenzintensit�t" interpretieren. Dazu muss der Wert der Alternativen jedoch in einer intersubjektiv verwendbaren Werteinheit gemessen werden. (Dies Wertma� soll im Folgenden wie in der Entscheidungstheorie �blich als "Nutzen" bezeichnet werden.)

*VI-25*
Die Vor- und Nachteile, die die eine Norm dem Einzelnen im Vergleich zu der anderen Norm bringt, m�ssen von den beurteilenden Individuen intersubjektiv übereinstimmend gewichtet und gegeneinander abgewogen werden, um die für alle gemeinsam beste Norm, die kollektiv vorgezogene Norm zu finden.

Als Nullpunkt aller Messungen der Vor- und Nachteile nehmen kann man den Status quo nehmen. N1, der Status quo h�tte dann für alle den Wert "0". Wenn N2 eine Verschlechterung gegenüber dem Status quo N1 bedeutet, erh�lt N2 einen negativen Nutzenwert, z. B. "- 5", wenn N2 eine Verbesserung gegenüber dem Status quo bedeutet, erh�lt N2 einen positiven Nutzenwert, z. B. "+ 4".

Die Frage ist, wie ein solches kardinales und intersubjektiv übereinstimmendes Wertma� für die Vorz�ge und Nachteile von Alternativen zu bestimmen ist.

Es muss dafür gesorgt werden, dass beliebige Individuen bei ihrer Beurteilung zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen. Solange keine methodischen Regeln aufgestellt sind, die es erm�glichen, einen auftretenden Dissens über das Nutzenniveau und die Nutzenver�nderungen eines bestimmten Individuums Px angesichts der zur Entscheidung anstehenden Alternativen aufzul�sen und in eine normative übereinstimmung zu verwandeln, ist das Ziel nicht erreicht.
Damit zwischen den Individuen ein dauerhafter Konsens über die gew�nschte Norm erzielt wird, wie es vom Intersubjektivit�tsgebot verlangt wird, m�ssen alle Individuen bei ihrer Beurteilung das gleiche Nutzenma� zugrundelegen. Insofern verschiebt sich das Problem der Einigung über Normen auf das Problem der Einigung über den anzulegenden Wert- bzw. Nutzenma�stab.

*VI-26*
Ist in Bezug auf die Messung von Niveau und Ver�nderung des Nutzens ein Konsens m�glich? Wird nicht jeder, der beurteilendes Individuum ist, denjenigen Nutzenma�stab für den angemessensten halten oder auch nur erklären, der zu einer Entscheidung für eine der normativen Alternativen f�hrt, die seinem individuellen Interesse am besten entspricht?

Eine solche vom individuellen Interesse her diktierte Nutzenbestimmung k�nnte man dadurch verhindern, dass das beurteilende Individuum vorher nicht darüber informiert wird, welche Position es in dem zu w�hlenden normativen System einnehmen wird. Wenn die Wahrscheinlichkeit dafür, an die Stelle irgendeines Individuums zu kommen, für jedes Individuum gleich ist (so bei Harsanyi, Rawls und anderen), wird die Orientierung am individuellen Interesse gebrochen. Wenn das beurteilende Individuum zwar wei�, welche unterschiedlichen Positionen mit welchen damit verbundenen Vor- und Nachteilen sich ergeben werden, aber nicht wei�, wer diese Positionen einnehmen wird, kann es nicht sein individuelles Interesse verfolgen. In diesem Fall wird das Problem, die bei den verschiedenen Alternativen auftretenden Nutzen für bestimmte Individuen zu aggregieren, durch das Problem ersetzt, die Nutzenver�nderungen der sozialen Positionen gegenüber dem Status quo in einem Wert zusammenzufassen.
Es handelt sich also genau genommen um eine Entscheidung, bei der eine intrapersonelle Aggregation der m�glichen Vor- und Nachteile vorgenommen werden muss, so wie bei jeder individuellen Entscheidung, bei der ja ebenfalls eine Gewichtung der verschiedenen Vor- und Nachteile erfolgen muss � zumindest implizit.
Auf diesem Wege erscheint ein intersubjektiver Konsens über das beste Normensystem prinzipiell m�glich. Man k�me in diesem Fall auch mit einer ordinalen Rangfolge der Normensysteme aus, denn es interessiert ja nur die Bestimmung des relativ besten Normensystems und nicht der absolute Wert des besten Normensystems auf einer Nutzenskala.

Allerdings wäre ein solches Verfahren nur eine Ann�herung an die gesuchte L�sung, denn tats�chlich vorhandene Unterschiede in der Bewertung derselben Lebensbedingungen durch verschiedene Individuen k�nnten hier nicht ber�cksichtigt werden. Zwar ist jeder gehalten, sich in die objektive Lage des anderen zu versetzen, aber er ber�cksichtigt dabei nicht dessen individuelle Bed�rfnis-und Wertstruktur. Er übernimmt nicht die subjektiven Aspekte der Lage. Oder anders ausgedr�ckt: Es wird dabei von den m�glichen Nutzen und Kosten ausgegangen, die man selber h�tte, wenn man in dieser Lage wäre, und nicht von den Nutzen und Kosten, die diejenigen haben, die tats�chlich in dieser Lage sind bzw. sein werden. (Es wäre eine empirische Frage, wie weit sich diese Kriterien unterscheiden und damit zur Auswahl unterschiedlicher Normensysteme f�hren.)
Um den Unterschied zu verdeutlichen: Es k�me darauf an, die Nutzen derjenigen Individuen zu beurteilen, die tats�chlich in eine bestimmte Position gelangen werden. Diese Nutzen sind einmal von den objektiven "�u�eren" Gegebenheiten dieser Position abh�ngig, andererseits aber auch von den subjektiven "inneren" Gegebenheiten der Person, von der Ausstattung des Individuums mit bestimmten F�higkeiten und dem Vorhandensein bestimmter Einstellungen.
Wenn es sich zum Beispiel um einen Blinden handelt, so kommt es darauf an zu ermitteln, welchen Nutzen die alternativen Normensysteme für das blinde Individuum h�tten und nicht, wie man selber diese Situation als Sehender bewerten w�rde.

Oder ein anderes Beispiel: Wenn es für ein Individuum �u�erst unerw�nscht wäre, ausschlie�lich Schreibtischt�tigkeit auszu�ben, und dies in dem zu bewertenden System der Fall wäre, so k�me es darauf an, diese Werthaltungen zu ber�cksichtigen, anstatt sie so zu bewerten, wie man sich selber dabei f�hlen w�rden. Es wäre also zu fordern, dass das beurteilende Individuum sich nicht allein in die �u�ere Lage der Individuen hinein versetzt, sondern auch in die subjektiven Bedingungen, also dass man sich fragt: "Wie würdech die Normensysteme beurteilen, wenn ich blind wäre bzw. die Schreibtischarbeit hassen w�rden?"

*VI-27*
Rawls geht weitgehend deduktiv vor. Der empirische Wille der Individuen kommt bei ihm kaum ins Spiel, so wie bei den Rationalisten kaum die Erfahrung in die Wissenschaft gelangt. Die normative Methodologie muss jedoch von zwei Seiten her konstruiert werden: vom Intersubjektivit�tsgebot und seinen logischen Konsequenzen her und von den tats�chlich vorhandenen Bed�rfnissen der Individuen her.

*VI-28*
Die Nutzenkalkulation kann vereinfacht werden durch die Zusammenfassung der Individuen zu Gruppen mit ähnlicher �u�erer und innerer Lage. (Rawls spricht vom "representative man" für die einzelnen Gruppen).

*VI-29*
Die Nutzenkalkulation muss sich nur auf die Betroffenen beziehen, weil der Nutzen-Betrag der Nicht-Betroffenen gleich Null gesetzt werden kann. (Aber muss nicht auch ein Nicht-Betroffener die Beurteilung nachvollziehen können? Auch ein Nicht-Betroffener bleibt Diskussionsteilnehmer. Vielleicht können die nicht Betroffenen eher unparteilich sein.)

*VI-30*
Zur Terminologie. Vorschlag: Ein Zustand, der den individuellen Interessen jedes Einzelnen entspricht, liegt im "gemeinsamen Interesse" ("common interest"), w�hrend der Zustand, der dem intersubjektiv übereinstimmenden solidarischen Interesse entspricht, im "Gesamtinteresse" ("public interest") liegt. (Ein Pareto-Optimum wäre dann ein "gemeinsames Interesse" in Relation zum Status quo.)
Eine weitere Differenzierung ergibt sich aus dem Kollektiv, auf das man sich bezieht (universal � partikular, einzelstaatlich (national), famili�r, �)

*VI-31*
Die Anwendung des Gebots der Solidarit�t setzt keine bestimmten Emotionen wie z. B. Mitleid voraus, wenn diese Gef�hle auch ein zus�tzliches Motiv dafür abgeben können, dass ein Individuum gem�� dem Gesamtinteresse handelt, also die g�ltigen Normen befolgt. Die Feststellung des solidarischen Interesses erfordert im Gegenteil eine Menge an Informationen und Gedankenarbeit. Insofern ist Moral auch keine Sache des blo�en Gef�hls. Jemand mag von Mitleid überquellen und trotzdem kann er nicht bestimmen, welches die bessere Ordnung ist und wie diese anzustreben ist.

*VI-32*
Ein wichtiges Problem bleibt das Verhältnis von aggregiertem Gesamtnutzen zu dessen Verteilung auf die Individuen, also das Problem der Ungleichheit der individuellen Nutzenniveaus. Dies ist auch der Einwand von Rawls, Frankena und anderen gegen den klassischen Utilitarismus. Mit diesem Argument rechtfertigt Rawls sein "difference principle".

*VI-33*
Der Einwand gegen den Utilitarismus scheint mir nur dann berechtigt zu sein, wenn "Nutzen" als Ausstattung mit bestimmten G�tern missverstanden wird, ohne zu ber�cksichtigen, dass die Ausstattung der andern mit diesen G�tern Einfluss auf das eigene Nutzenniveau hat. Deshalb ist die Ausstattung der anderen mit diesen G�tern für mein Nutzenniveau mitbestimmend. In diesem Fall sind die egalit�ren Motive bereits in den individuellen Pr�ferenzen (Nutzen) bzw. den eigenen Interessen enthalten. Wenn die Individuen st�rker unter der Ungleichheit leiden, wird die Ungleichheit st�rker ins Gewicht fallen; wenn sie darunter weniger leiden, wird die Ungleichheit weniger ins Gewicht fallen.

*VI-34*
Das egalit�re Prinzip liegt bereits darin, dass jeder zur Bestimmung seines solidarischen Interesses aufgefordert ist, d.h. er muss die Interessen der anderen in der gleichen Weise ber�cksichtigen wie seine eigenen. Die Bed�rfnisse jedes Individuums haben damit für die Bestimmung des Gesamtinteresses gleiches Gewicht. Nach dem Benthamschen Prinzip gilt jeder für einen und niemand für mehr (Mill in Utilitarismus, Kapitel 50,a, Paragraph 63).

*VI-35*
Harsanyi verwandelt die individuellen Interessen in "ethische Pr�ferenzen", indem ein Zufallsmechanismus zwischengeschaltet wird: Jedes Individuum hat die gleiche Wahrscheinlichkeit, in die Lage irgendeines anderen Individuums zu kommen.
Au�erdem ist jedes Individuum ein notwendiger Bestandteil des solidarischen Konsens. D.h. seine aus dem Intersubjektivit�tsgebot abgeleiteten Rechte der freien Diskussion etc. d�rfen nicht angetastet werden.

*VI-36*
Zu sagen, dass eine bestimmte Ungleichheit zwischen den Individuen nicht gerechtfertigt ist, hei�t, dass die Benachteiligung der einen nicht durch die Vorteile der anderen aufgewogen wird. (Dabei muss deutlich zwischen einer Ungleichheit der Nutzenniveaus und einer Ungleichheit der grundlegenden Rechte unterschieden werden.)

*VI-37*
Eine Verletzung der Rechte des Einzelnen ist es z. B., wenn sein Nutzenniveau überhaupt nicht in die Berechnung des Gesamtinteresses bzw. Gesamtnutzens eingeht, seine spezielle Lage also unber�cksichtigt bleibt.

*VI-38*
Solche Ungleichheiten sind gegenüber diesem Individuum prinzipiell nicht zu rechtfertigen, weil sie damit das Individuum aus der Diskussion ausschlie�en und damit implizit das Verhältnis ihm gegenüber zum reinen GewaltVerhältnis erklären. Dies sind deshalb "unver�u�erliche Grundrechte" jedes Individuums.

*VI-39*
Nicht allgemein akzeptabel ist es auch, wenn die Nutzenniveaus der Individuen mit unterschiedlichen Ma�st�ben gemessen werden.

*VI-40*
Bestimmte Unterschiede im Nutzenniveau können jedoch im Prinzip gegenüber jedem solidarisch orientierten Individuum gerechtfertigt werden (was nicht hei�t, dass damit jeder Unterschied tats�chlich gerechtfertigt ist.)
Ein Beispiel für gerechtfertigte Unterschiede wäre etwa die Norm, dass bei einem Schiffsungl�ck nicht nach der Devise verfahren wird: "Rette sich wer kann!", sondern dass die Norm besteht, dass zuerst die Passagiere - und hier wiederum Frauen und Kinder - das Schiff verlassen d�rfen und erst danach die Besatzung. Diese Norm bedeutet in Hinsicht auf das für jedermann wichtigste aller G�ter, sein eigenes Leben, eine gravierende Ungleichheit der überlebenschancen. Trotzdem kann diese Norm auch gegenüber den benachteiligten Besatzungsmitgliedern gerechtfertigt werden, sofern sie solidarisch entscheiden wollen. Diese Rechtfertigung erfolgt mit dem Hinweis auf das Gesamtinteresse (für das im Schiffsbeispiel nur Leben oder Tod relevant sind).

*VI-41*
Wenn man davon ausgeht, dass der Nutzen des überlebens für jedes Individuum gleich ist (was noch zu begr�nden wäre), so entspricht dem Gesamtinteresse diejenige Regelung, die zur Rettung der meisten Menschenleben f�hrt.
Man kann davon ausgehen, dass jede Festlegung der Reihenfolge der Rettung insofern Menschenleben spart, als damit der Kampf zwischen den Individuen um einen Platz im Rettungsboot und die damit verbundene Verz�gerung der Rettungsaktion vermieden wird.
Zum andern sind Frauen und Kinder beim Zu-Wasser-lassen eines Rettungsbootes hilfebed�rftiger als M�nner, so das0s sie mit gr��erer Wahrscheinlichkeit verloren wären, wenn sie die Letzten an Bord wären.
M�nnliche Passagiere sind wiederum hilfebed�rftiger als Besatzungsmitglieder, so dass sich hieraus eine entsprechende Reihenfolge ergibt.

Au�erdem können Besatzungsmitglieder durch ihr l�ngeres Verbleiben an Steuerungs- und Notfalleinrichtungen des Schiffes den Untergang oder die Ausbreitung von Feuer verz�gern bzw. ganz verhindern, so dass dadurch für die Rettungsaktion Zeit gewonnen wird. Ein weiteres Argument mag darin liegen, dass für ein Schiffsungl�ck in erster Linie dessen Besatzung verantwortlich ist, d.h. dass es wesentlich von ihrem Handeln abh�ngt, ob es überhaupt zu einem Ungl�ck kommt. Ihre Benachteiligung im Falle eines Ungl�cks w�rde also auf sie zugleich motivierend wirken, es überhaupt nicht erst zu einem solchen Ungl�ck kommen zu lassen.

*VI-42*
Das letzte Argument bezieht sich auf die Rechtfertigung von Ungleichheiten, die im Zusammenhang mit einer motivationsfürdernden Belohnung oder Bestrafung entstehen. Unter der Annahme eines vereinfachten Nutzenma�stabs ("Das Leben jedes Individuums ist gleichwertig und andere Werte wie zum Beispiel Sachg�ter können gegenüber dem Verlust des Lebens als unerheblich vernachl�ssigt werden") kann also nachgewiesen werden, dass eine bestimmte mit Ungleichheit unter den Individuen verbundene normativen Regelung den gr��ten Gesamtnutzen erbringt und damit dem Gesamtinteresse entspricht. Somit können solidarische Individuen dieser Norm zustimmen, selbst wenn sie selber zu den relativ schlechter Gestellten geh�ren.

*VI-43*
Das entscheidende Problem ist das Problem der Einigung über einen Nutzenma�stab, mit dem die Nutzen der Individuen interpersonell vergleichbar gemacht werden können, um sie zu einem Gesamtwert (dem Gesamtnutzen) aggregieren zu können. Es geht also nicht darum, dass jedes beurteilende Individuum für sich einen solidarischen Nutzenma�stab definiert und damit die Nutzenniveaus aller Individuen einsch�tzt und zu einem Niveau des Gesamtnutzens aggregiert, sondern dass alle beurteilenden Individuen den gleichen Nutzenma�stab verwenden, damit ein Konsens über das Gesamtinteresse und die zu findenden Normen m�glich wird.
Das Problem ist also, die Einzelwillen zu einem Gesamtwillen zu aggregieren (wobei der Wille jedes Einzelnen gleiches Gewicht erh�lt).

*VI-44*
Harsanyi h�lt dies für ein rein psychologisches Problem, abgesehen von einer notwendigen metaphysischen Frage nach der Nutzengleichheit empirisch gleicher Alternativen. Er meint, dass die Nutzenniveaus durch die zunehmende Entwicklung der psychologischen Wissenschaft immer besser bestimmt werden können (so auch Gehmacher). Dahinter steht wahrscheinlich die Vorstellung, dass die Richtigkeit eines Nutzenbegriffs empirischer überpr�fung zug�nglich ist, indem eine richtige Theorie des Nutzens die tats�chlichen Entscheidungen von Individuen prognostizierbar macht.

*VI-45*
Man k�nnte das Problem schrittweise angehen und erst einmal eine Einigung über ein ordinales Nutzenma� versuchen. (Zu pr�fen bleibt, inwiefern ein solches interpersonell verwendbares Nutzenma� die individuellen Bed�rfnisstrukturen ber�cksichtigen kann.)

*VI-46*
Um festzustellen, ob ein bestimmtes Individuum in einem Normensystem N1 oder in einem System N2 ein h�heres Nutzenniveau erreicht, k�nnte man - unter der Bedingung der Rationalit�t des individuellen Interesses - das Individuum selber w�hlen lassen. Es k�nnte - unter bestimmten Annahmen - alle zur Auswahl stehenden Normensysteme in eine Rangfolge gem�� seinem individuellen Interesse bringen. über diese individuelle Rangfolge lie�e sich wahrscheinlich unter allen Individuen prinzipiell eine Einigung erzielen, wenn man eine Einigung über die Bedeutung des Ausdrucks "rationales individuelles Interesse" voraussetzt.

*VI-47*
Wie kommt man nun zu kardinalen (also summierbaren) und interpersonell vergleichbaren Nutzenmessungen?

Der erste Schritt besteht darin, für alle Individuen einen gemeinsamen Nullpunkt für die Nutzenmessung zu finden. Dies kann der Status quo sein. Das bedeutet, dass das Nutzenniveau jedes Individuums im Status quo den Wert "0" hat.

*VI-48*
Zum individuellen Interesse: Wenn jeder nach der Norm handelt: "Jeder soll gem�� seinem individuellen Interesse handeln!", so bleibt in der Mehrzahl der F�lle der Konflikt.

*VI-49*
Inwiefern lässt sich zu der Handlung eines Individuums angeben, gem�� welcher Maxime (subjektiver Handlungsregel) das Individuum gehandelt hat? Eine Handlung kann gleichzeitig mehreren Normen entsprechen und auch mehreren Normen widersprechen ("Idealkonkurrenz"?). Wenn man allerdings mehrere Handlungen eines Individuums einem konsistenten System von Maximen zuordnen muss, verringert sich die Zahl der Normensysteme, für die dies m�glich ist. (Was macht man bei tats�chlich inkonsistenten Handlungen, wenn also ein Individuum eine Norm befolgt, die es ein anderes Mal bricht?)

*VI-50*
Dass Handlungen nicht eindeutig bestimmten Normen bzw. Maximen zuzuordnen sind, kann man zur eigenen Rechtfertigung nutzen, indem man diejenigen Maximen vorschiebt, die normativ am akzeptabelsten sind. So sagt ein Dieb vor Gericht: "Mit dem Geld wollte ich meine kranke Mutter unterst�tzen". Allerdings ist er unglaubw�rdig, wenn ihm andere Handlungen nachgewiesen werden können - zum Beispiel Geldausgaben für Luxusgegenst�nde -, die mit der Norm: "Unterst�tze deine Eltern, wenn sie in Not sind!", nicht in Einklang zu bringen sind.

*VI-51*
Wie soll man die Umstellungskosten von einem normativen System auf ein anderes ber�cksichtigen? Die Vorteile des einzuf�hrenden Systems gegenüber dem gegenw�rtigen ergeben sich meist über eine unbegrenzte Zukunft, w�hrend die Umstellungskosten einmalig anfallen. Wie kann man das gegeneinander abw�gen? Muss man den zuk�nftigen Vorteil gegenüber dem jetzigen Vorteil diskontieren (verringern)?

Man muss zwischen den Handlungen gem�� einem normativen System entscheiden und Handlungen, die die Auswahl des Systems betreffen. Unter der Annahme der Existenz und der effektiven Sanktionierung des normativen Systems kann man niemandem vorwerfen, dass er gem�� dem bestehenden System handelt. Mehr zu verlangen hie�e verlangen, dass jemand ein Held oder ein Heiliger ist, der ohne oder sogar gegen ein Sanktionssystem in seinen Handlungen eine bessere Ordnung antizipiert. (Man kann allerdings verlangen, dass er sich für die Abschaffung eines ung�ltigen Normensystems einsetzt.)

*VI-52*
Zur Nutzeninterdependenz von Normen. Man kann Normen, die in ihrem Nutzen von der Realisierung anderer Normen abh�ngen, zu einem Paket zusammenfassen und über die dann entstehenden Pakete abstimmen. (Die Normenpakete wären so zu bilden, dass die Nutzeninterdependenzen zu anderen Paketen minimiert werden. Eine v�llige Unabh�ngigkeit zwischen verschiedenen Ma�nahmen gibt es wohl nie. )

*VI-53*
Die Frage nach der G�ltigkeit einer Norm gleich so stellen: "Welches ist die für alle gemeinsam beste Norm?" Nicht: "Welches ist die für jeden Einzelnen beste Norm?" (natürlich erf�llt eine Norm, die das letztere Kriterium erf�llt, auch das erstere Kriterium, aber umgekehrt ist nicht die für alle gemeinsam beste Norm immer auch die beste Norm für jeden Einzelnen.)

*VI-54*
Eine g�ltige Norm wäre demnach eine Norm, die alle gemeinsam am ehesten wollen können, und nicht eine, die jeder für sich am ehesten wollen kann. Diesen Unterschied herausarbeiten und mit dem Solidarit�tsprinzip verdeutlichen. (Oder besser: "Eine g�ltige Norm kann jeder für alle wollen"?)
(Harsanyi k�ndigt 1955 ein Werk an, in dem er die politischen ethischen Pr�ferenzen philosophisch begr�nden will. Hier muss ich einmal nach sehen.)

Man kann das Problem widerstreitender individueller Interessen auch dadurch l�sen, dass man alle Individuen in eine empirisch gleiche Lage bringt. Dann braucht jeder nur seine eigenen Interessen zu beurteilen, um die Interessenlage eines anderen kennen zu lernen. Dies war wohl die Annahme Rousseaus bei der Formulierung des volont� g�n�ral. Unter Bedingungen der Gleichheit der Lebenslagen ist die Bildung von Interessengruppen und Parteien überfl�ssig oder sogar sch�dlich. Wenn jemand in der Abstimmung unterlegen war, so konnte man mit einiger Berechtigung annehmen, er habe sich geirrt (sofern die Annahme gilt, dass sich jeder B�rger seltener irrt als dass er sich nicht irrt).

*VI-55*
Soll bei der Entscheidung über das beste Normensystem von den existierenden Pr�ferenzen ausgegangen werden? Es geht ja um zuk�nftige neue Gesellschaftsordnungen, die wiederum ver�nderte Menschen mit ver�nderten Pr�ferenzen vorbringen werden (so Rawls in Phelbs, S. 332).
Aber wenn man die zuk�nftigen Pr�ferenzen nicht kennt, kann man ihnen auch nicht entsprechen. Die Konsequenzen hieraus wären Unt�tigkeit oder aber Entscheidungen an den Bed�rfnissen der zuk�nftigen Menschen vorbei.

*VI-56*
Wenn die heute lebenden Menschen weitreichende Entscheidungen treffen, muss ein Bezug zu ihren zuk�nftigen Pr�ferenzen hergestellt werden, um die Entscheidung zu rechtfertigen. Das Problem der sich ver�ndernden Pr�ferenzen unter ver�nderten sozialen Bedingungen ist gl�cklicherweise nicht so unl�sbar, wie man vielleicht denkt, denn jeder vorausschauende Mensch antizipiert die Ver�nderung seiner Pr�ferenzen in der Zukunft unter bestimmten ver�nderten Bedingungen und lässt sich davon bereits in seinen heutigen Entscheidungen leiten. So sagt sich vielleicht jemand: "Solange ich noch jung bin und es mir Spa� macht, will ich viel reisen. Im Alter hat man dazu meist keine Lust mehr." Oder: "Gleich n�chstes Jahr übersiedele ich nach Australien. Als Auswanderer brauche ich mir keine dicke Winterbekleidung mehr zu kaufen, denn dort wird es nicht so kalt sein wie hier."

*VI-57*
Dies sind triviale Beispiel, aber sie gelten auch für politische Entscheidungen über das Gesamtsystem. Wenn ich an einem vorgeschlagenen System für die Zukunft etwas aus meiner Sicht kritisiere, so ist mir nicht mit der Entgegnung gedient: "Das spielt dann keine Rolle mehr, denn dann wirst du ganz andere Bed�rfnisse haben!" Dann m�sste ich schon nachvollziehbare Begr�ndungen dafür bekommen, warum sich meine Bed�rfnisse in welcher Weise ver�ndern werden. Nur wenn ich das zuk�nftige System bereits heute antizipieren kann und es in meine heutigen Pr�ferenzen eingehen kann, kann von einer "rationalen Entscheidung für eine neue Gesellschaftsordnung gesprochen werden." (Unter Umst�nden kann sich diese Information auch auf die zu erwartenden Bed�rfnisse meiner Kinder und Kindeskinder beziehen, sofern ich deren Bed�rfnisse zu meinen eigenen mache.)

*VI-58*
Zu den Umstellungskosten von einem System auf das andere geh�ren auch die durch Gewohnheit und Internalisierung im alten System erworben Bed�rfnisse, die bei der Generation, die den übergang von einem System zum anderen vollzieht, sehr schwerwiegende Probleme aufwerfen kann, die jedoch bei den nachwachsenden Generationen, die bereits im neuen System sozialisiert sind, unwichtig geworden sind.

*VI-59*
Um ein Individuum zu solidarischem Handeln gegenüber einem anderen zu bewegen, wird im Alltag oft mit dem Risiko argumentiert, dass man selber einmal hilfsbed�rftig wird. "Dann wirst du auch verlangen, dass man dir hilft."
Dies ist der Versuch, das individuelle Interesse durch Einf�hrung von Risiko dem solidarischen Interesse anzugleichen. Allerdings wird dieser Appell an einem rationalen Individuum abprallen, das eine realistische Einsch�tzung dieses Risikos besitzt, das sich zum zweiten gegen Risiken versichern kann, und das au�erdem wei�, dass sein heutiges Handeln auf seine Behandlung in einer m�glichen sp�teren Notlage keinen Einfluss haben muss. Selbst wenn sich heute jemand solidarisch verh�lt, garantiert ihm das nicht, dass sich sp�ter die anderen ihm gegenüber ebenfalls solidarisch verhalten werden, da es sich dann um ganz andere Individuen handelt.

*VI-60*
Die Moral der Bergpredigt versucht, neue Normen durch deren einseitige Praktizierung einzuf�hren. Sie verzichtet weitgehend auf die Sanktionierung von Normverletzungen und macht das Gebot der Befolgung nicht von ihrer Sanktionierung abh�ngig, abgesehen vielleicht von Jenseitsvorstellungen.

*VI-61*
Wenn man sagt: "über eine Norm sollen nur die Betroffenen entscheiden", so kann dies keine oberste methodische Norm sein. Denn wer entscheidet darüber, wer betroffen ist? Der argumentierende Kreis muss offen für jedermann sein.
Wenn Individuen nicht betroffen sind, so ist ihr Nutzen in Bezug auf jede Alternative gleich 0. Insofern m�ssen deren individuellen Interessen nicht ber�cksichtigt werden. Und insofern man die Bestimmung des Gesamtinteresses durch Verfahren ann�hert, bei denen die Individuen ihre Interessen selbst bestimmen, scheiden die Nicht-Betroffenen bei den Verfahren sinnvollerweise aus. (Zum Beispiel beim Abstimmen nach dem Mehrheitsprinzip. Hier ist der übergang zu den kollektiven Entscheidungsverfahren, die unmittelbar die von den Betreffenden ge�u�erten individuellen Interessen aggregieren.)

*VI-62*
Das Unternehmen einer normativen Methodologie muss sich auch gegen den normativen Dogmatismus verteidigen, der meint: "Dass bestimmte soziale Ordnungen schlecht und andere besser sind, steht sowieso schon lange fest und dies er�brigt umst�ndliche methodologische Reflexionen und Begr�ndungen. Jetzt kommt es nur darauf an, die zweifellos bessere Ordnung wirksam zu verteidigen bzw. zu erk�mpfen."
Wer meint, dass die Richtigkeit seiner Beurteilungsma�st�be so offensichtlich ist, der muss sich die Frage gefallen lassen, warum er dann so viele Menschen noch nicht von deren Richtigkeit überzeugen konnte.
Wer diesen Umstand methodisch nicht reflektieren will, der verbirgt hinter seinem dogmatisch vorgetragenen Anspruch auf die richtigen politischen Zielvorstellungen nur die Erwartung, dass sich seine Vorstellung schon milit�risch als die st�rkere erweisen werde. Denn dann kann er sich methodische Begr�ndungen und die gr�ndliche argumentative überzeugung anderer ersparen.

*VI-63*
Warum muss man überhaupt über Normen entscheiden und entscheidet nicht direkt über einzelne Zust�nde? Hat diesen seinen Grund darin, dass allgemein formulierte Normen auf eine unendliche Zahl von Einzelf�llen anwendbar sind und hier jeweils Entscheidungen produzieren?

*VI-64*
Kostensenkungen gibt es auch durch Normen, die Entscheidungsbefugnisse und Normsetzungsbefugnisse an bestimmte Institutionen oder �mter delegieren. Aus solchen normativen Kompetenzerteilungen folgt sogar eine unbegrenzte Menge von allgemeinen Normen, die jede für sich wiederum eine unbegrenzte Menge von Einzelentscheidungen enthalten können. Der Satz: "A erh�lt das Weisungsrecht über die Individuen B,C,D � in Bezug auf alle Angelegenheiten der Art x" erm�glicht eine unbeschr�nkte Normsetzungs- und Entscheidungsaktivit�t des erm�chtigten Individuums auf dem angegebenen Bereich.

*VI-65*
Im Prinzip k�nnte man v�llig ohne allgemeine Normen und nur mit Einzelfall-Vorschriften arbeiten. Aber dann w�sste so gut wie niemand, wie er sich verhalten soll und wie sich andere verhalten sollen.

Man k�nnte das Handeln auch über bestimmte Kriterien (zum Beispiel "Maximierung des Gesamtnutzens") steuern. Aber die Anwendung auf jeden Einzelfall wäre mit unermesslichen Kalkulationskosten verbunden. Aufgrund der Probleme solcher Kalkulationen w�rden Meinungsverschiedenheiten darüber entstehen, welches Handeln diesem Kriterium entspricht. Dadurch w�rde das Verhalten wechselseitig unvorhersehbar und es w�rden Sch�den aufgrund mangelnder Koordination entstehen. Vor allem m�sste jedes Individuum auf Grundlage seines beschr�nkten und notwendigerweise subjektiven Informationsstandes entscheiden.
Wenn die Normen dagegen nicht durch ein Kriterium, sondern durch die Angabe von Bedingungen, Adressaten und die Beschreibung einer Handlung explizit formuliert werden, ist die M�glichkeit irrt�mlicher bzw. strittiger Normverletzungen erheblich reduziert. Unter Umst�nden kann dies eine weitere Ausdifferenzierung der Norm notwendig machen. Aber auch dann können Probleme bleiben, die aus speziell gelagerten Einzelf�llen herr�hren, deren normative Besonderheit in der differenzierteren allgemeinen Norm nicht ber�cksichtigt wurde.

Wenn es einen besonders problematischen Bereich gibt, kann man anstelle starrer Vorschriften eine dafür zust�ndige Entscheidungsinstanz schaffen, die die F�lle in ihrer situationsbedingten Besonderheit pr�ft und daraufhin für jeden Fall eine einzelne Entscheidung f�llt. Hier entsteht allerdings bei einem weiten Ermessensspielraum die Gefahr der Willk�r.

*VI-66*
Nehmen wir ein einfaches Beispiel mit zwei Individuen P1 und P2 und gehen wir davon aus, dass weder für N1 noch für N2 ein gemeinsames Interesse beider besteht. Es gilt zum Beispiel:
N1 ist für Individuum P1 besser als N2.
N2 ist für Individuum P2 besser als N1.
Welche Norm entspricht mehr dem Gesamtinteresse? Man k�nnte beide Individuen auffordern, die Alternativen auf einer Nutzen-Skala von -10 bis + 10 einzuordnen, wobei N1 als Status quo den Nullpunkt bildet und N2 umso weiter vom Nullpunkt entfernt einzuordnen ist, je gr��er die positiven oder negativen Nutzen�nderungen bei Einf�hrung von N2 wäre. +10 wäre die gr��tm�gliche Verbesserung gegenüber N1, -10 wäre die gr��tm�gliche Verschlechterung gegenüber N1, 0 bedeutet Gleichwertigkeit bzw. Indifferenz gegenüber N1. Die Zwischenwerte dienen der Abstufung der Pr�ferenzintensit�ten (Nutzendifferenzen).

*VI-67*
Wenn man annehmen muss, dass die Individuen nicht ihre wirklichen Pr�ferenzen ausdr�cken, sondern ihre Bewertung taktisch so ausrichten, dass die ihrem individuellen Interesse am meisten entsprechende Alternative die bestm�gliche Chance bekommt, so werden die Abstimmungen so verlaufen, als ob nur einfache Pr�ferenzen (besser/gleich/schlechter) m�glich gewesen wären.

*VI-68*
Selbst wenn dies taktische Abstimmungsverhalten nur von einem einzigen Individuum praktiziert w�rde, so w�rde es damit seinem Interesse ein gr��eres Gewicht bei der Bestimmung des Gesamtinteresses verschaffen als den Interessen der anderen.

*VI-69*
In Verhältnissen, wo durch vorhandene altruistische (oder sympathische) Gef�hle davon ausgegangen werden kann, dass niemand seinem eigenen Interesse ein gr��eres Gewicht als dem der anderen verschaffen will, werden solche Intensit�tsvergleiche � wenn auch in nicht formalisierter, verbaler Form � h�ufig angewandt. So zum Beispiel unter Freunden. A sagt:" Ich w�rde gern spazieren gehen" und B antwortet: "Eigentlich würdech lieber zuhause bleiben, aber mir macht es nicht viel aus, mit Dir spazieren zu gehen. Wenn du es gerne m�chtest, dann lass uns spazieren gehen. Hauptsache wir kommen dazu, uns etwas zu unterhalten."

Es kommt so zur Entscheidung für das Spazierengehen, obwohl A lieber zuhause geblieben wäre. Aber da seine negative Nutzendifferenz zwischen "Spazierengehen" und "Zu-Hause-bleiben" gering ist und B andererseits gro�en Wert auf das Spazierengehen legt, er also eine gro�e positive Nutzendifferenz zwischen Spazieren gehen und Zu Hause bleiben hat, f�llt der kollektive Gesamtnutzen des Spazierengehens positiv aus gegenüber dem Gesamtnutzen von Zu-Hause-bleiben.

*VI-70*
Die Tatsache, dass die Alltagssprache ein differenziertes Instrumentarium an Ausdrucksm�glichkeiten für Pr�ferenzintensit�ten bereitstellt, lässt darauf schlie�en, dass der Feststellung der individuellen Pr�ferenzintensit�ten und ihrer Verwendung im t�glichen Leben eine gro�e Bedeutung zukommt, trotz der Gefahr nur vorget�uschter Pr�ferenzintensit�ten. (Man m�sste einmal die sprachlichen Ausdrucksformen zusammenstellen und analysieren. �brigens wird in bestimmten Situationen auch eine geringere Pr�ferenzintensit�t vorget�uscht, zum Beispiel bei Kaufverhandlungen; bei milit�rischen Auseinandersetzungen, um dem Gegner keine Anhaltspunkte darüber zu geben, wo man verwundbar ist etc..)

*VI-70*
Man kann dem Problem taktischer Angaben von Pr�ferenzintensit�ten durch Konsistenzpr�fungen begegnen. Wenn zum Beispiel jemand in dem einen Fall y gegenüber x mit +10 vorzieht, im andern Fall z gegenüber y ebenfalls mit +10, aber z gegenüber x auch nur mit +10, so ist das überraschend. (Dies ist allerdings nicht direkt inkonsistent?)

*VI-71*
Goodman/Markowitz (?) versuchen, zu einer kardinalen Nutzenmessung zu kommen, indem sie jedem Individuum die M�glichkeit geben, alle Alternativen gleichzeitig in einer Skala von 0,0 bis 1,0 einzuordnen. M�glich ist auch, den Status quo mit 0,5 zu bewerten und die besseren Alternativen mit 1,0 und die schlechteren mit 0,0. Gibt es hier auch taktisches Verhalten?

*VI-72*
Man k�nnte bei mehreren Alternativen auch jedem Individuum eine Gesamtzahl von 100 Punkten geben, die es entsprechend seinen Pr�ferenzintensit�ten auf die Alternativen verteilen kann. Die Alternative mit den meisten Punkten entspricht dem Gesamtinteresse am besten.

Allerdings kann man sich taktisch verhalten, indem man seine Punkte auf die aussichtsreichsten Alternativen konzentriert, um so die Entscheidung bez�glich des meistens entscheidenden ersten Platzes zu beeinflussen. Jeder w�rde wahrscheinlich all seine Punkte derjenigen unter den aussichtsreichen Alternativen geben, die seinem eigenen Interesse am besten entspricht. Das k�me am Ende auf dasselbe heraus, als wenn jeder mit nur einer Stimme ausgestattet worden wäre.

*VI-73*
Unterdr�ckung muss sich nicht in den bestehenden Normen ausdr�cken. Wenn jemand in einer Gef�ngniszelle eingesperrt ist, ben�tigt man keine Normen, um ihn von bestimmten Handlungen abzuhalten. Ich brauche ihm z. B. nicht zu verbieten, etwas zu stehlen. Ich brauche ihm unter Umst�nden noch nicht einmal verbieten, wegzulaufen, denn er kann es nicht. Ich k�nnte zu ihm sagen: "Du kannst tun und lassen, was du willst, es ist alles erlaubt." Insofern sagt ein Normensystem über die Art der Herrschaft unter Umst�nden nicht viel aus. Es m�ssen zugleich immer auch die realen Zw�nge und MachtVerhältnisse ber�cksichtigt werden, in deren Zusammenhang das Normensystem funktioniert.

*VI-74*
Wenn die Ziele gekl�rt sind, muss noch die "Verhältnism��igkeit der Mittel" gekl�rt werden. Ein Regime kann "illegitim" sein, aber trotzdem kann ein gewaltsamer Umsturz nicht gerechtfertigt sein, weil er mit zu vielen Opfern verbunden wäre.

*VI-75*
Die Auswahl der g�ltigen Norm entspricht dem Schema der Bewertung von Alternativen. ("Welches ist die beste aller m�glichen Normen?")

*VI-76*
Menschen können ohne weiteres sinnvoll etwas anstreben, was ihnen heute noch unm�glich ist (zum Beispiel eine bestimmte Erfindung). Was ist das Rationalit�tskalk�l für solches Handeln? Es gibt hier offensichtlich verschiedene Arten von M�glichkeiten. Es mag sinnlos sein, ein Perpetuum Mobile bauen zu wollen (das ist unm�glich aufgrund von Naturgesetzen), aber es mag sinnvoll sein, eine kabellose übertragung elektrischer Energie anzustreben. Ich kann wollen, dass ich bestimmte W�nsche (Motive) nicht habe. Ich kann wollen, dass ich anders wäre, als ich es jetzt bin. Hier taucht das Problem der Qualifikation der Pr�ferenz auf. (In diesem Zusammenhang lässt sich auch die partielle Berechtigung der moralischen Idealisten diskutieren und das Streben nach Vollkommenheit. Dazu T. H. Green.)

*VI-77*
Sprachliches: Im englischen bedeutet "property" sowohl "Eigentum" wie auch "Eigenschaft".

*VI-78*
Ist Verallgemeinerbarkeit ein notwendiges Kriterium für Normen? "Gleiches Recht für alle!" Warum? In gewisser Weise bedeutet es ja nur, dass ein bestimmtes Recht tats�chlich angewandt wird. Wenn bestimmte Personen in der Rechtsprechung anders behandelt werden als andere, obwohl das Gesetz für alle gleich formuliert ist, so gelten faktisch andere Normen als die formulierten. Hinter einem Gesetz für alle verbergen sich dann in Wahrheit zwei Gesetze für zwei verschiedene Personengruppen. Wenn man diese formulieren w�rde, so h�tte man wieder gleiches Recht für alle, allerdings h�tte man dann nicht die gleichen Rechte für alle. Eine solche Gleichheit der Rechte w�rde bedeuten, dass es keine Positionsdifferenzierung innerhalb der Gesellschaft geben darf, denn unterschiedliche Positionen (Funktionen, Rollen etc.) erfordern unterschiedliche Rechte und Pflichten. Oder muss man die Ebenen unterscheiden: Gleichheit der Rechte als Staatsb�rger (Input) � ungleiche Rechte als Positionsinhaber (Output)?

*VI-79*
Inwiefern garantiert das Solidarit�tsprinzip einen Konsens über Normen? Das Prinzip fordert, dass man die Entscheidung zugleich aus der Lage des anderen heraus trifft. A soll sich also in die Lage von B hinein versetzen und dessen Interessen in gleicher Weise (mit gleichem Gewicht) ber�cksichtigen, wie seine eigenen Interessen. D.h., dass A dann nicht eine Norm für g�ltig erklären kann, wenn er zugleich zugibt, dass er selber diese Norm an Stelle von B nicht anerkennen w�rde. Was ist aber, wenn B die von A für g�ltig gehaltene Norm nicht anerkennt, A aber der Meinung ist, dass er diese Norm an B"s Stelle anerkennen w�rde? Welchen intersubjektiv g�ltigen Ma�stab der Interessen von A und B gibt es? Einen Gesichtspunkt k�nnte man nennen: der Nutzenma�stab muss für alle Streitfragen der gleiche sein. Sonst k�nnte jemand durch einen Wechsel der Ma�st�be den jeweils für sich vorteilhaftesten Ma�stab nehmen. Anders ausgedr�ckt: Welcher Ma�stab anzuwenden ist, muss generell, d.h. für alle F�lle, geregelt sein, um Willk�r und damit Streit ausschlie�en zu können. (Folgt das aus dem Intersubjektivit�tsgebot? Oder aus dem Konsensgebot?)

*VI-80*
Wie können zwei Individuen ihren Streit argumentativ entscheiden? Wie kann B dem A klarmachen, dass er die Bed�rfnisse von B nicht mit gleichem Gewicht ber�cksichtigt? B k�nnte erst einmal klären, ob A die �u�eren, empirisch wahrnehmbaren Bedingungen von B"s Lage so sieht wie B selber. (Hier k�men empirische Argumentationen in Frage, zum Beispiel "Wie hoch ist das durchschnittliche monatliche Einkommen von B?" Wenn darüber Einigkeit besteht, so wäre zu klären, ob über die Pr�ferenzstruktur von B Einigkeit besteht.

*VI-81*
Wie lassen sich Pr�ferenzstrukturen intersubjektiv übereinstimmend ermitteln? Angenommen, B sagt, dass ihm eine bestimmte Arbeit, zum Beispiel als Kraftfahrer, überhaupt nicht gef�llt und er eine ausgepr�gte Abneigung dagegen hat? Kann A dies überpr�fen? Pr�ferenzen sind nur introspektiv direkt zug�nglich. A und B m�ssten sich jetzt über intersubjektiv nachvollziehbare und kontrollierbare Methoden der Pr�ferenzermittlung einigen. Eine einfache, aber grobe Form wäre: Die Pr�ferenzen jedes Individuums werden über seine eigenen Willens�u�erungen ermittelt. Solche �u�erungen wären zum Beispiel tats�chliches Verhalten in Entscheidungssituationen oder die verbale �u�erung über Verhalten in potentiellen Entscheidungssituationen. Aber dies wäre sicherlich immer nur ein Notbehelf, denn ein Individuum k�nnte die St�rke seiner Interessen zu seinen Gunsten übertreiben. Es besteht also das Problem falscher �u�erungen über die eigenen Pr�ferenzen. Wie kann man solche falschen �u�erungen erkennen oder anderweitig ausschlie�en?

*VI-82*
Ein Verfahren, um das Interesse an einer wahrheitsgem��en �u�erung der Pr�ferenzen zu erzeugen, besteht in der Begrenzung des Mediums, durch das die St�rke der Interessen ge�u�ert werden kann. Wenn zum Beispiel in einer Geldwirtschaft den Individuen nur ein begrenztes Einkommen zur Verf�gung steht, so dr�ckt die Zahlungsbereitschaft die intrapersonelle Dringlichkeit der verschiedenen Bed�rfnisse aus.

*VI-83*
Das Intersubjektivit�tsgebot verlangt, dass eine g�ltige Norm gegenüber jedermann gerechtfertigt werden kann. Aber wer kein Geh�r hat, keine Sprache hat etc., gegenüber dem kann man nichts rechtfertigen. Allerdings taucht er auch als Kritiker nicht auf, er ist kein m�glicher Tr�ger von Kritik. Wer prinzipiell der Argumentation nicht f�hig ist, lebt auch prinzipiell im GewaltVerhältnissen (zum Beispiel Tiere oder Kinder). Man muss allerdings unterscheiden zwischen fürsorglichen (wohlwollenden) GewaltVerhältnissen und eigeninteressierten (r�cksichtslosen) GewaltVerhältnissen. Bei fürsorglichen GewaltVerhältnissen gehen die Bed�rfnisse der Unm�ndigen in gleicher Weise in die Norm ein wie die Bed�rfnisse der M�ndigen. Bei eigeninteressierten GewaltVerhältnissen werden die Bed�rfnisse der Beherrschten nur insoweit ber�cksichtigt, wie die Bed�rfnisse der Herrschenden dies gestatten bzw. erfordern. (Hier besteht eine ähnlichkeit zu Kants Konzeption der aktiven und der passiven Staatsb�rger.)

*VI-84*
Kant definiert das Zustimmen-können in problematischer Weise. Die M�glichkeit des Konsens ist für ihn dadurch bestimmt, dass die Ma�nahme bzw. ihrer Maxime zu einem universalen Gesetz zusammenstimmen kann. Es geht nur um ihre formale Qualit�t als reine Vernunftgesetze. Ob diese Ma�nahme die Leute gl�cklich oder ungl�cklich macht, ist nicht entscheidend (Kant 1965, S. 87). Es entscheidet auch nicht die vorhandene Meinung des betreffenden Subjekts.

*VI-85*
Ich m�sste die Kantsche Definition von Recht n�her analysieren: "Recht ist die Gesamtheit der Bedingungen innerhalb derer der Wille einer Person mit dem Willen eines anderen vers�hnt werden kann im Einklang mit einem allgemeinen (universalen) Gesetz der Freiheit."

*VI-86*
Bei meinen überlegungen ist das Leistungsprinzip unber�cksichtigt geblieben, das mit der Notwendigkeit der Produktion, der Anstrengung und der Arbeit an Bedeutung bekommt. Es fehlt noch die dynamische Betrachtungsweise: die Ber�cksichtigung des Interesses daran, dass auch morgen die Mittel der Bed�rfnisbefriedigung vorhanden sind. Das Leistungsprinzip steht und f�llt mit seiner motivierenden Wirkung, mit der M�glichkeit, dadurch den Kuchen zu vergr��ern.

*VI-87*
Zum Begriff der Alternative: wenn zwei Normen zur Debatte stehen, die nicht alternativ sind (die sich nicht widersprechen sondern die beide zugleich erf�llt werden k�nnten), so können beide g�ltig sein, denn man muss sich zwischen ihnen nicht entscheiden.

*VI-88*
Das Eigeninteresse eines Individuums muss durch das Individuum selber bestimmt werden (sofern es m�ndig ist). Es muss gekl�rt werden, was das Individuum wirklich will. D.h. ein Individuum kann sich verstellen, es kann zur Durchsetzung seiner Interessen diese falsch darstellen, zum Beispiel die Dringlichkeit bestimmter Bed�rfnisse übertreiben. Es kann dies intraindividuell, indem es bestimmte eigene Bed�rfnisse gegenüber anderen eigenen Bed�rfnissen übertreibt. Oder es kann dies interindividuell, indem es eigene Bed�rfnisse gegenüber fremden übertreibt. Das Problem ist: Was hei�t hier "übertreiben", "sich verstellen"? Diese Begriffe setzen ja eine Bestimmung der wirklichen Interessen bereits voraus. Was sind die wirklichen Interessen eines Individuums? Wie hatte ich "Eigeninteresse" definiert? Unter dem Eigeninteresse soll "die Gesamtheit der Willensregungen bzw. Pr�ferenzen verstanden werden, denen gem�� sich ein Individuum entscheiden w�rde, wenn es keinerlei Sanktion durch andere Individuen befürchten m�sste."

Diese Definition ist noch sehr vage und vorl�ufig. Es kommt jetzt darauf an, die eigenen Interessen unter dem Gesichtspunkt ihrer Zusammenfassung (Aggregierung) zu einem solidarischen Gesamtinteresse zu bestimmen, d.h. das Eigeninteresse muss operational und normativ akzeptabel bestimmt werden.

Im Alltag macht man seine Pr�ferenzen und ihre Intensit�t oft durch Kausalerkl�rungen glaubw�rdig. Man begr�ndet seinen Wunsch nach einer gr��eren Portion Essen zum Beispiel mit dem Satz: "Ich habe seit gestern morgen nichts mehr gegessen." Man beruft sich auf empirische Zusammenh�nge zwischen der Dauer des Nahrungsentzugs und der Intensit�t des Nahrungsverlangens.

*VI-89*

Oder man lehnt anstrengende Arbeiten mit der Begr�ndung ab, dass man die letzte Nacht nicht schlafen konnte und sehr m�de sei, dass man k�rperlich schwach gebaut sei, dass man andere Beeintr�chtigungen der F�higkeiten habe, die die Arbeit besonders belastend und m�hselig machen w�rden etc.. Es kommen auch Erkl�rungen der Pr�ferenzstruktur anderer Personen vor. Wenn jemand zum Beispiel kein Schweinefleisch mag, so erkl�rt man das damit, dass er Mohammedaner ist. Wenn jemand nicht gern schwimmt, erkl�rt man das damit, dass er unsicher im Schwimmen ist und Angst vor dem Ertrinken hat.

*VI-89*
In dem Ma�e, wie Pr�ferenzen solchen empirisch feststellbar Unregelm��igkeiten unterliegen, lässt sich über ihre Existenz ein Konsens herstellen. Sie werden dann als "normal" angesehen. D.h. nicht, dass sie bei allen Menschen vorhanden sein m�ssen, sondern dass sie bei Individuen mit bestimmten Merkmalen unter bestimmten Bedingungen regelm��ig auftauchen (vergleiche Harsanyi in Phelps S. 280 ff.)

*VI-90*
Noch unmittelbarer ist der Konsens, wenn das Individuum die Pr�ferenzen des andern dadurch erfahrbar machen kann, dass es sich selber den Situationsbedingungen des andern unterwirft. Dies ist jedoch nicht immer m�glich. Zum Beispiel kann ein Mann nicht die Pr�ferenzen einer schwangeren Frau durch eine eigene Schwangerschaft nachvollziehen. Allerdings kann man die Aussagen von anderen Frauen heranziehen, die ebenfalls schwanger sind oder waren, um die Pr�ferenzstruktur einer schwangeren Frau konsensf�hig zu machen. D.h.: Nicht jedes Individuum muss die Pr�ferenzstruktur jedes anderen verstehen, nachvollziehen, am eigenen Leibe erfahren, um die Glaubw�rdigkeit des anderen zu überpr�fen, weil es zur Kontrolle unter Umst�nden glaubw�rdige Dritte gibt, die das nachvollziehen können.

Auf jeden Fall kann sich kein Individuum auf die alleinige Zug�nglichkeit seiner Pr�ferenzen für es selber (Introspektion) berufen und daraus eine subjektiv beliebige Formulierung der eigenen Interessen ableiten. Die gesamte Diskussion über Eigeninteressen findet ja im Rahmen des Intersubjektivit�tsgebotes statt. D.h., dass jedes Individuum gehalten ist, die Beschaffenheit seiner Pr�ferenzen auf intersubjektiv nachpr�fbarer Weise den anderen zu vermitteln. Die Anerkennung von Interessen beruht damit auf ihrer konsensf�higen Feststellbarkeit. Damit ist der gleichsam solipsistische Individualismus der paretianischen Wohlfahrts�konomie von vornherein nicht m�glich, denn jeder hat damit die Berechtigung über die Beschaffenheit der Interessen jedes andere mitzubestimmen, es gibt kein individualistisches Heiligtum.

Es sollen auf der ersten Ebene die wirklichen Interessen der Individuen ermittelt werden. Dann werden sie gem�� dem Solidarit�tsprinzip aggregiert zum Gesamtinteresse. Eigeninteressen, die dem Gesamtinteresse widersprechen, werden dann normativ nicht zugelassen.

Nun besteht in der Erziehung die Tendenz, Eigeninteressen, die nach der tradierten Erfahrung dem wie auch immer bestimmten Gesamtinteresse widersprechen, durch Erziehung m�glichst zu unterdr�cken und m�glichst aus dem Bewusstsein der Individuen zu tilgen (zum Beispiel durch Tabuisierung). Das einzelne Interesse soll dem Gesamtinteresse von vornherein angepasst werden, um damit auch die Gefahr eines normwidrigen Handelns zu verringern.

*VI-90*
Die Problematik bei einem solchen normativ überformten Eigeninteresse liegt darin, dass das Gesamtinteresse nur auf der Basis der eigenen Interessen formuliert werden kann. Bei diesem Verfahren ist eine scharfe Trennung der Ebene notwendig, die zugleich eine Trennung von Bewusstsein und Handeln erfordert. Einerseits m�ssen die Einzelinteressen so genau wie m�glich ermittelt werden. Es wird ein Bewusstsein der Individuen von ihren Interessen gefordert. Andererseits sollen die Individuen nicht entsprechend ihrem Eigeninteresse handeln sondern entsprechend denjenigen Normen, die dem Gesamtinteresse entsprechen. Die Differenz zwischen Einzel- und Gesamtinteresse soll dabei im Bewusstsein nicht ausgel�scht werden. Dies setzt eine bestimmte Ich-St�rke der Pers�nlichkeit voraus, die diese Differenz bewusst aush�lt und akzeptiert.

*VI-92*
Problem: Die Qualifikationsbedingungen des individuellen Willens sind mehr oder weniger gegeben. Sie ergeben normalerweise nur eine Vermutung über die Falschheit von Entscheidungen, solange das Individuum nicht selber die Korrektur vorgenommen hat. Wo soll man hier die Grenze ziehen, das Individuum für unm�ndig erklären und sein Interesse stellvertretend rekonstruieren und wahrnehmen?

*VI-93*
Ziel-Mittel-Dichotomie. Dass ich einen bestimmten Zustand der Wirklichkeit will (Ziel), impliziert nicht logisch, dass ich damit auch einen bestimmten Handlungsverlauf will, der diesen Zustand realisiert. Denn vielleicht will ich die dabei angewandten Mittel nicht, vielleicht verzichte ich lieber auf das Ziel, als dass ich ein bestimmtes Mittel anwende.

*VI-94*
Beim Stimmentausch findet eigentlich nur ein intrapersoneller
Vergleich der Pr�ferenzintensit�ten statt. Ich sehe, dass mir die Entscheidung I wichtiger ist als die Entscheidung II. Bei jemand anderem ist dies umgekehrt. Nun tausche ich meine Stimme bei Entscheidung II gegen seine Stimme bei Entscheidung I. Ich habe jetzt zwei Stimmen zu vergeben bei Entscheidung I und er hat zwei Stimmen zu vergeben bei Entscheidung II. D.h.: Jeder hat bei dem intrapersonell wichtigeren Punkt mehr Stimmen als vorher und beim intrapersonell weniger wichtigen Punkt weniger Stimmen als vorher. Ein interpersonaler Nutzenvergleich ist damit nicht verbunden. Dieser entsteht h�chstens über die in diesem Fall urspr�nglich gleiche Ausstattung der Individuen mit Stimmen.

Gleiche Ausstattung mit Stimmen hei�t, dass die durchschnittliche Pr�ferenzintensit�t je Punkt als urspr�nglich gleich angesehen wurde. Das gleiche Ergebnis k�nnte dadurch erzielt werden, dass jeder seine Stimmen, die er für alle Punkte zur Verf�gung hat, kumulieren kann (ähnlich wie beim Geld). Nur dass hier kollektiv gekauft wird, also die Individuen ihr Stimmengeld zusammenlegen, um einer bestimmte Alternative zum Sieg zu verhelfen.

*VI-95*
Singul�re Normen erfordern einen erheblichen Entscheidungs- und Durchsetzungsaufwand. Durch generelle, nicht raumzeitlich begrenzte Normen, kann dieser Aufwand erheblich gesenkt werden.

*VI-96*
Qualifikationsbedingungen des Einzelinteresses. Das "vermeintliche Interesse" wird als falsifizierbar begriffen durch das Individuum selber. Die Falsifikation erscheint erst einmal derart, dass das Individuum jetzt ein anderes Eigeninteresse in Bezug auf dieselbe Entscheidungssituation �u�ert. Dabei wird � im Gegensatz zu einer blo�en �nderung des Interesses � gleichzeitig die damalige Interessen�u�erung als falsch bezeichnet und korrigiert.
Bei einer blo�en �nderung des Interesses w�rde man die damalige Entscheidung nicht für falsch erklären, man w�rde sie nicht "bereuen", sondern nur sagen: "Heute entscheide ich mich anders als damals" bzw. "Heute würdech anders entscheiden", aber nicht:
"H�tte ich doch damals anders entschieden!"

Bei der Falsifikation (Korrektur) der damaligen Entscheidung gibt man Gr�nde dafür an, warum die erste Entscheidung falsch war. Man sagt:
"Ich wurde damals bedroht und unter Druck gesetzt, so zu entscheiden."
"Ich hatte übersehen, dass diese Nebenwirkungen mit der Alternative verbunden sind."
"Ich hatte gar nicht daran gedacht, dass diese Alternative überhaupt Bestand haben w�rde."
"Ich war damals zu gehemmt, um zu entscheiden, wie ich es wirklich wollte."
"Ich hatte mir gar keine anschauliche Vorstellung von den Auswirkungen der Alternative gemacht."
"Mir war damals nicht bewusst, dass sich unbewusst diese Motive dabei hatte."
"Ich musste damals unter gro�em Zeitdruck entscheiden." "Ich ahnte damals nicht, dass mir das nach kurzer Zeit nicht mehr gefallen w�rde"
"Ich dachte, mir w�rde das gefallen.
"Ich hatte damals noch unbegr�ndete Schuldgef�hle bei der Wahl der eigenen Alternative."

*VI-97*
Zur Universalisierbarkeit.
In gleichartigen Situationen gleichartige Normen anwenden. Woraus ergibt sich dieses Prinzip? für die Bestimmung g�ltiger Normen sind allein die empirischen Umst�nde und die vorhandenen Pr�ferenzen der Betroffenen relevant. Da diese gleich sein sollen, m�ssen auch die daraus abgeleiteten Normen gleich sein. Dies ist kein Schluss vom Sein auf sollen, weil eine weitere methodologische Norm implizit vorausgesetzt wird, wie aus Situation und Pr�ferenzen die Norm zu bestimmen ist.

Die unterschiedlichen Bedeutungen der "Verallgemeinerbarkeit" von Normen klären:
1. Verallgemeinerbarkeit im Sinne, dass es sich nicht um singul�re Normen handelt ("Tue hier und jetzt x!") Sondern: "Immer dann, wenn gegeben ist xyz, tue r!"
2. Verallgemeinerbarkeit in dem Sinne, dass die Norm sich nicht nur an bestimmte Individuen sondern an alle richtet. (Adressaten)
3. Verallgemeinerbarkeit in dem Sinne, dass keine Eigennamen in der Formulierung vorkommen ("Jeder soll mir, Willi M�ller, gehorchen!")
4. Verallgemeinerbarkeit in dem Sinne, dass das Individuum der Norm auch zustimmen können muss, wenn es in der Position der anderen wäre.
5. Verallgemeinerbarkeit in dem Sinne, dass das Individuum auch zustimmen kann, dass sich jeder nach dieser Norm verh�lt ("Wenn jeder das t�te!").
6. Verallgemeinerbarkeit in dem Sinne, dass die Norm für jedermann anerkennbar ist (universale G�ltigkeit).

*VI-98*
Wenn ich eine Norm für g�ltig halte, die ohne Eigennamen formuliert ist, so muss dies unabh�ngig davon sein, welche Position ich in dem strittigen Fall einnehme. Ich muss sie also auch für g�ltig halten, wenn sie meinem eigenen Interesse zuwider ist, wenn ich also gewisserma�en das "Opfer" bin.

*VI-99*
Man streitet sich oftmals nicht unmittelbar um eine Norm, sondern darum, ob ein bestimmtes Verhalten, das unter eine bestimmte Norm f�llt, richtig ist oder nicht. Dieses Verhalten wird dann damit gerechtfertigt, dass man es als bestimmten Normen gem�� oder als sie verletzend darstellt. Wenn darüber Einigkeit besteht, streitet man sich um die G�ltigkeit bzw. Verbindlichkeit bestimmter Normen.


*VI-100*
Hare verlangt die Universalisierbarkeit von moralischen Prinzipien. Darunter versteht er jedoch das Prinzip der "Ber�cksichtigung der Interessen des anderen, als wären es die eigenen." (F. a. R. S. 94). Er leitet dies aus der Logik des Wortes "sollen" ab. Dies ist nicht akzeptabel. Seine Ergebnisse sind jedoch weitgehend zu übernehmen und sind deckungsgleich mit dem Solidarit�tsprinzip.



*VI-101*
Keine Regel ohne Ausnahme." Dies hat seinen Grund darin, dass es sich hier der übersichtlichkeit und Anwendbarkeit wegen um Vereinfachungen handelt. Im Prinzip wären die Ausnahmen in einer eigenen Regel zu erfassen, so dass keine Regel mehr Ausnahmen enth�lt.

*VI-102*
Ausnahmen sind immer problematisch und sind Ballast für eine Regel. Ihre Tolerierung erfolgt nur in Ermangelung besserer Regeln.

*VI-103*
Normen sollen das Handeln anleiten. Man kann dies in verschiedensten sprachlichen Formen ausdr�cken.
1. durch Einzelbefehle, die nur für eine bestimmte Situation gelten.
2. durch Zielvorschriften. Man schreibt mich die Handlung vor, sondern die Ziele, die anzustreben sind (beim Milit�r hei�t das" Auftragstaktik"). Dem Normadressaten bleibt dabei ein Ermessensspielraum, wie er angesichts der konkreten Situationsbedingungen das Ziel anstrebt.
3. Man kann Zielvorschriften durch Mittelvorschriften erg�nzen, indem zum Beispiel die Anwendung bestimmter Mittel bzw. bestimmter Handlungen zur Erreichung des Zieles verboten wird.
4. durch allgemeine Normen. Diese sind nicht von einer spezifischen Situation abh�ngig wie Einzelbefehle, sondern werden für eine bestimmte Klasse von Situationen aufgestellt.
5. durch bedingte Einzelbefehle. Die Handlungsvorschriften werden mit bestimmten Bedingungen verkn�pft, unter denen sie anzuwenden sind: "Wenn X eintritt, dann tue Y!"
6. durch bedingte allgemeine Normen. Die allgemeinen Normen sollen nur unter bestimmten Bedingungen angewandt werden. Bei negativen Normen, die ein bestimmtes Verhalten verbieten, ist dies nicht so wichtig wie bei positiven Normen. Wenn positive Gebote nicht an bestimmte Bedingungen gebunden worden sind, so kann leicht das Problem der Unvereinbarkeit der gebotenen Handlungen eintreten (H�ufig werden die Anwendungsbedingungen stillschweigend vorausgesetzt und nicht explizit formuliert).

*VI-104*
Wo keine normativ relevanten empirischen Unterschiede zwischen Individuen vorliegen und trotzdem eine Auswahl getroffen werden muss, kann "der Zufall entscheiden": dies wäre ein für alle Beteiligten akzeptierbares Verfahren, zum Beispiel wenn zwei Bewerber gleich gut sind, aber nur einer gewinnen kann, wenn Pr�ferenzstrukturen identisch sind etc..

*VI-105*
für bestimmte Bedingungen zum Beispiel subjektive Geschmacksunterschiede, lässt sich die Bedingung von Harsanyi (gleiche Wahrscheinlichkeit für jeden, in die Lage irgendeines anderen Individuums zu kommen) prinzipiell nicht anwenden. Geschmacksunterschiede sind nicht variierbar. Auch der Vergleich von Individuen, die beide die Situation aus eigener Erfahrung kennen, erscheint problematisch. (A:"Ich mochte fr�her auch keine Pilze, so wie B heute. Heute mag ich keinen Kohl.")

*VI-106*
Wenn man im normativen Sinne von Ungleichheit der Lebensbedingungen spricht, so meint man nicht die empirische Verschiedenheit, sondern die Ungleichheit der Nutzenniveaus. Jeder, der über Ungleichheit im Sinne von Ungerechtigkeit spricht, muss deshalb implizit ein Ma� zur quantitativen Einsch�tzung solcher Nutzendifferenzen zwischen verschiedenen Individuen besitzen. Im Alltag wird dabei meist auf empirische Unterschiede hingewiesen, zum Beispiel: "Hier muss eine 5-k�pfige Familie in 2 kleinen Zimmern hausen und dort hat eine 3-k�pfige Familie eine komfortable 6-Zimmer-Wohnung und dazu noch 2 Ferienwohnungen zur Verf�gung."
Diese empirisch belegbaren Vergleiche werden allerdings dadurch zu Aussagen über das Nutzenniveau, dass Wohnraum als ein allgemein begehrtes Gut angenommen wird, dass jedenfalls in den relevanten unteren Dimensionen sich als reines Gut verh�lt: ("Je mehr jemand davon hat, desto besser für ihn.")
ähnlich ist es bei empirischen Einkommensvergleichen, wobei Geld als ein Gut angesehen wird,"von dem man nie zu viel haben kann".

Sofern es G�ter gibt, von denen jedes Individuum (in einem bestimmten Bereich) lieber mehr als weniger zur Verf�gung h�tte, so kann zumindest ein ordinaler Nutzenniveauvergleich zwischen zwei Individuen vorgenommen werden, wenn sie ansonsten gleich gestellt sind, aber in Bezug auf ein solches Gut der eine besser gestellt ist: Wer von einem allgemein positiv bewerteten Gut mehr hat als ein anderer, ist also ceteris paribus besser gestellt als dieser.
Aber man k�nnte einwenden dass man zwar mehr von dem Gut habe, dass man aber trotzdem schlechter gestellt sei, weil man viel gr��ere Bed�rfnisse habe.
Eine solche Argumentation ist nicht prinzipiell unsinnig, denn wenn zum Beispiel jemand sehr ung�nstig wohnt (gro�e Entfernungen, keine �ffentlichen Verkehrsverbindung etc.), so kann unter Umst�nden auch ein komfortableres und schnelleres Auto diesen Nachteil kaum wettmachen. (Allerdings kann man die Wohnlage auch als ein Gut ansehen, dass sich zum Beispiel in Grundst�cks-und Wohnungspreisen niederschlagen kann. Es war dann die ceteris paribus-Klausel nicht gegeben, weil die Ausstattung mit dem Gut: "Wohnlage" nicht gleich war.)
Auf dem Hintergrund einer solchen Ausstattung mit G�tern � worunter nicht nur austauschbare �konomische G�ter zu verstehen sind, sondern auch G�ter wie zum Beispiel das Augenlicht, ein zufriedenstellendes Sexualleben, das Fehlen von Krankheiten oder Gebrechen jeder Art � kann ein Vergleich der Nutzenniveaus verschiedener Individuen oder Gruppen von Individuen vorgenommen werden.
Man macht solche Vergleiche auch im Alltag, indem man zum Beispiel sagt:
"Herrn X geht es gesundheitlich sehr schlecht, viel schlechter als mir."
"Ein Studienrat steht sich gehaltsm��ig besser als ein Hauptschullehrer."
"Frau X ist mit ihrem Mann gl�cklicher als Frau Y mit ihrem Mann."

Solche Vergleiche der Nutzenniveaus verschiedener Individuen werden dabei nicht nur in Bezug auf bestimmte G�ter oder G�tergruppen vorgenommen, sondern auch in Bezug auf die Gesamtsituation und die Ausstattung mit G�tern. Man sagt etwa:
"Ich m�chte nicht in seiner Haut stecken".
"für alles Geld in der Welt m�chte ich nicht mit ihm tauschen".
"Was würdech nicht dafür geben, wenn ich in seiner Lage wäre"
"Er befindet sich in keiner beneidenswerten Lage"
"Wie geht es Ihnen?" �"Den Umst�nden entsprechend (!) gut."

*VI-107*
Die Aggregation setzt die Feststellung der interpersonalen Differenz der Nutzenniveaus bei den verschiedenen Alternativen sowie ihren interpersonellen Vergleich voraus. Beides wird im Alltag gemacht, wenn auch verbal und unpr�zise. Solche Messungen erscheinen von dorther nicht sinnlos, wenn ihnen auch erhebliche Schwierigkeiten im Wege stehen. Dies sind einerseits Messprobleme, wie sie in der empirischen Psychologie ebenfalls st�ndig auftauchen. Die Frage ist jedoch, ob das Problem hier nicht noch eine normative Dimension hat. Denn die Validit�t eines irgendwie operationalen Nutzenbegriffs lässt sich hier zum Beispiel nicht prognostisch überpr�fen (oder doch in Bezug auf die tats�chlichen Entscheidungen?), sondern der Begriff dient hier rein normativen Zwecken.

*VI-108*
Wie kann man interpersonell eine ordinale Messung der Nutzenniveaus verschiedener Leute vornehmen? Wenn es drei Individuen gibt- P1, P2 und P3 - so k�nnte man jeden fragen, ob er mit dem anderen tauschen will (ob er die Lage des anderen gegenüber seiner eigenen vorzieht; ob er meint, dass der andere in einer besseren Lage ist als er selber). Angenommen, es ergeben sich folgende Werte:
(U1 bedeutet "Nutzenniveaus des Individuums P1")
.
Individuum P1: U1 > U2 und U1 < U3
Individuum P2: U2 < U1 und U2 < U3
Individuum P3: U3 > U1 und U3 > U2.

Diese Einsch�tzungen der drei Individuen ergeben eine konsistente kollektive Rangfolge: U1 >U2 >U3

Alle drei Individuen sch�tzen ihre Lage im Vergleich zu den anderen so ein, dass es P3 am besten geht, P1 am zweitbesten und P2 am drittbesten. (Allerdings wären ohne weiteres auch Inkonsistenzen m�glich. Es muss untersucht werden, welche Rolle hierbei die Angleichung der empirischen Informationen über die Lage der anderen Individuen spielt. Wie stark streuen die vorhandenen Einsch�tzungen tats�chlich ?)

*VI-109*
Unter welchen Pr�missen lässt sich aus dem Intersubjektivit�tsgebot logisch das Solidarit�tsgebot folgern, dass n�mlich die eigenen Interessen aller Individuen gleiches Gewicht haben sollen. K�nnte man nicht auch sagen, dass die Interessen der eigenen Gruppe doppelt so gro�es Gewicht bekommen sollen wie die Interessen einer anderen Gruppe? Warum kann ein solches Verfahren nicht ebenso konsensf�hig sein wie das Verfahren bei gleicher Gewichtung?

*VI-110*
Man kann eine, das durch verschiedene kollektive Entscheidungsverfahren mehr oder weniger angen�hert wird. Es ist gewisserma�en der Ma�stab, vor dem zum Beispiel Mehrheitsprinzip, Vertragssystem etc. zu bestehen haben, bzw. zu dessen besserer Realisierung neue kollektive Entscheidungsverfahren zu entwickeln sind.

*VI-111*
Das Vertragssystem klammert das Problem der interpersonalen Nutzenmessung aus. Es kommen nur solche Entscheidungen zu Stande, die alle Vertragsparteien besser stellen als im Status quo. Es wird nach gemeinsamen Interessen für ein bestimmtes Teilkollektiv von Vertragspartnern gesucht.

Dabei ist zu ber�cksichtigen, dass hier noch das Sanktionsproblem besteht (wenn auch nicht mehr als jede andere m�gliche Regelung. Insofern bleibt das Vertragssystem unter Umst�nden suboptimal gegenüber dem erreichbaren Gesamtnutzen).

Von den anderen Individuen muss angenommen werden, dass sie von den Vereinbarungen nicht betroffen sind, dass also durch Vertr�ge keine externen Effekte auf nicht beteiligte Individuen eintreten können.

Da dies jedoch kaum auszuschlie�en ist, wird den Individuen eine bestimmte Individualsph�re zugeordnet, über die sie nach Belieben verf�gen d�rfen, ohne dass andere hiervon betroffene protestieren d�rfen. Dadurch ist für jedes Individuum ein Interessenbereich abgesteckt, über den es beliebig auch durch Vertr�ge mit anderen verf�gen darf. Dies setzt Eigentum normativ voraus.

*VI-112*
Ich hatte gesagt, dass das Solidarit�tsgebot eine Ber�cksichtigung der eigenen Interessen aller Individuen in gleicher Weise vorschreibt. Nun kann nach der bisherigen Definition das Eigeninteresse bereits altruistische und sympathische Elemente enthalten. Werden nun bei der Bestimmung der eigenen Interessen durch die Individuen selbst, zum Beispiel beim Mehrheitsprinzip, diejenigen benachteiligt, die solche altruistischen Elemente einbringen, w�hrend Individuen mit nur egoistischen Zielen, die nicht auf das Wohlergehen anderer gerichtet sind, dabei besser wegkommen?

Je mehr altruistische wohlwollende und je weniger missg�nstige Motive in den eigenen Interessen enthalten sind, desto mehr harmonieren die Eigeninteressen. In dem Moment, wenn die Eigeninteressen den solidarischen Interessen v�llig angeglichen sind, f�llt gemeinsames Interesse und Gesamtinteresse zusammen.

*VI-113*
Wenn jemand missg�nstige Interessen hat, die auf den Schaden eines anderen gerichtet sind (Schadenfreude), dann m�sste der Betroffene in seinem solidarischen Interesse die gegen sich selbst gerichteten W�nsche des anderen Individuums einkalkulieren. Ist das nicht etwas viel verlangt? Allerdings w�rden die missg�nstigen Interessen sich kaum durchsetzen, weil sie ebenso starken Widerstand bei den Betroffenen ausl�sen.


*VI-114*
Terminologisches:
Man k�nnte drei Klassen von Motiven unterscheiden:
- wohlwollende Motive, bei denen ich Wohl anderer anzielen. Damit ist das Eigeninteresse eines anderen zum Bestandteil meines eigenen Interesses geworden; die Eigeninteressen korrelieren positiv (positive Nutzeninterdependenz);.
- selbstbezogene Motive, die v�llig unabh�ngig von ihren Folgen für das Eigeninteresse anderer Individuen sind (keine Nutzeninterdependenz);
- missg�nstige (�bel wollende) Motive, die den Schaden eines anderen anzielen. Damit sind bestimmte Einbu�en am Eigeninteresse eines anderen zum Bestandteil meines eigenen Interesses geworden. Die Erf�llung der Eigeninteressen korreliert negativ, zum Beispiel bei Hass, Neid und Rachegef�hlen (negative Nutzeninterdependenz).

Alle drei Klassen von Motiven können Bestandteil des Eigeninteresses sein, nicht nur die selbstbezogenen Motive. Das Wohlergehen eines anderen, zum Beispiel meines Kindes, kann mein eigenes Interesse sein.

Da �bel wollende missg�nstige Motive sich mit den selbstbezogenen Motiven der Betroffenen, die ihren Schaden selbstverst�ndlich nicht wollen, bei der Kalkulation des Gesamtinteresses praktisch aufheben, f�hrt ihr Vorhandensein zu einer Senkung des erzielten Gesamtnutzens. (?) Ist das eine Rechtfertigung für die Zur�ckdr�ngung solcher Motive? (Siehe dazu Bertrand Russell, Ethik). Ein weiterer Grund ist der, dass solche Motive im Gesamtinteresse nicht ber�cksichtigt werden können (?), also auch nicht in den als g�ltig bestimmten Normensystemen. Folglich muss die Existenz missg�nstiger Motive die Befolgung der g�ltigen Normen beeintr�chtigen. Dies wäre ein weiterer Grund für die erzieherische Zur�ckdr�ngung missg�nstiger Motive.

*VI-115*
Gleichheit und Neid
Inwiefern ist ein Bed�rfnis nach Gleichheit der Nutzenniveaus bzw. Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen ein missg�nstiges Motiv? Von den elit�ren Theoretikern wird das egalit�re Denken als Neid, als Missgunst, als Ressentiment der Schlechtweggekommenen abgewertet. Aber man kann egalit�res Denken ebenso als wohlwollend ansehen, n�mlich in Bezug auf die schlechter Gestellten. Nur wo die blo�e Schlechterstellung des besser Gestellten bereits dem Eigeninteresse dient, handelt es sich um missg�nstige Motive. Wenn ein schlechter Gestellter die ausgleichende Umverteilung von G�tern in seinem Sinne fordert - zum Beispiel, dass es von den G�tern eines besser Gestellten einen Teil erh�lt, so handelt es sich um selbstbezogene Motive, die den selbstbezogene Motive des besser Gestellten zwar entgegen stehen m�gen, es handelt sich jedoch dabei nicht um missg�nstige Motive.

*VI-116*
Missg�nstige Motive sind "unmoralisch", insofern sie prinzipiell nicht einem Gesamtinteresse und einem Verhalten gem�� g�ltiger Normen entsprechen können. Deshalb das Gebot, die Entstehung solcher Motive m�glichst zu verhindern ("berechtigter" Hass?)

*VI-117*
Kann man wollen, dass es einem selbst schlechter geht? Kann man also missg�nstige Motive gegen sich selbst haben? Insofern die Pers�nlichkeit keinen einheitlichen hierarchischen Aufbau hat, sondern sich Motivkomplexe verselbstst�ndigen und unbewusst werden können, insofern es Desintegrationen des Ich und der Pers�nlichkeit geben kann bis hin zu Pers�nlichkeitsspaltungen, gef�hlsm��igen Ambivalenzen, die sich im bewussten Ich nicht ausgleichen, sondern mit voller Sch�rfe in der Person aufeinanderprallen, weil sie sich aus unbewussten, verdr�ngten Erfahrungen speisen, die vom Ich nicht aufgearbeitet werden können. Insofern gibt es auch die M�glichkeit von missg�nstigen Motiven gegen sich selbst. (Strafphantasien, Selbstbestrafungstendenzen, Schuldkomplexe etc. sind für Psychotherapeuten eine allt�gliche Angelegenheit.


Rawls Differenz-Prinzip, wird von ihm selbst als egalit�r und als Verwirklichung von Br�derlichkeit und Solidarit�t aufgefasst Alle Ungleichheiten sind gerechtfertigt, insofern sie auch zum Vorteil der jeweils schlechter bzw. am schlechtesten gestellten sind." (In Phelps S. 328 folgende). Aber dieses Prinzip wäre zum Beispiel bereits befriedigt, wenn jemand, der gerade ein Millionengesch�ft gemacht hat, für alle schlechter Gestellten eine Runde Bier ausgibt. Es sind beliebig gro�e Unterschiede im Nutzenniveau damit vereinbar, es muss nur auch für die Armen etwas dabei abfallen. Das sind eher Bes�nftigungsmethoden als Prinzipien der Gerechtigkeit!

Die positive Verkettung der Interessen durch ein soziales System ist keinesfalls ausreichend. Dies kann durch entsprechende Sanktionsmechanismen in jedem System hergestellt werden. Eine Auswahl unter den Systemen lässt sich damit nicht rechtfertigen.

*VI-118*
Die Formel: "Gleiches Recht für alle!" Ist doppeldeutig: Sie kann sich einmal auf die Anwendung existierender Normen auf alle Personen in gleicher Weise beziehen (formale Gerechtigkeit) oder aber darauf, dass nur Normen existieren sollen, die keine Unterschiede zwischen den Individuen machen (formale Gleichheit), in denen also keine Differenzierung verschiedener sozialer Rollen vorgenommen wird. Das Letztere ist so gut wie unm�glich, weil zum Beispiel keine Abgrenzungen vorgenommen werden k�nnten. Auch S�tze wie "Jeder darf über sein Eigentum frei verf�gen" w�rden insofern ungleiche Rechte bedeuten, als Person A mit einem bestimmten Auto fahren darf, wann er will, B jedoch mit demselben Auto nicht fahren darf, wann er will.

*VI-119*
Ich muss mich mit der Universalisierbarkeit genauer befassen: Was sind Eigennamen? Was sind allgemeine Begriffe? Wie stehen dazu Begriffe wie "jeder", "sein" etc.? Damit werden ja singul�re Individuen und singul�re Relationen bezeichnet. Dahinter verbirgt sich die Scheinneutralit�t gleicher Rechte: "Jeder hat das Recht, über sein Eigentum zu verf�gen." Das hei�t für den Habenichts, dass er über nichts verf�gen darf. Was ist daran "gleich", wenn der andere über riesige G�ter an Boden, Produktions- und Konsumptionsmittel, die Arbeitskraft anderer Individuen etc. verf�gen kann?

*VI-120*
Reziprozit�t: "Wie du mir, so ich dir!" "Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus!"

*VI-121*
Die Regel: "Auge um Auge, Zahn um Zahn" ist mehr als eine blo�e Abschreckung oder Rache. Dem Verletzer einer Norm werden durch die Regel, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, die verletzten fremden Bed�rfnisse auf drastische Weise nachvollziehbar gemacht. Die durch ihn verursachten Leiden des andern werden buchst�blich zu seinen eigenen gemacht, so dass er gezwungen ist, die Bed�rfnisse des andern genauso wichtig zu nehmen wie seine eigenen.

*VI-122*
Man k�nnte alle, die das Solidarit�tsprinzip akzeptieren, als "Menschen guten Willens" bezeichnen, insofern sie den Willen zur Einigung haben.

*VI-123*
Aus dem Intersubjektivit�tsgebot k�nnte man auch das Gebot ableiten: "Suche nach unber�cksichtigten Alternativen, die dem Gesamtinteresse besser entsprechen als die bisher ber�cksichtigten Normen!" (Das Steckenpferd der Albert-Sch�ler). Deshalb darf auch keine Alternative vom Vergleich ausgeschlossen werden. Denn weiterhin entspricht die gew�hlte Norm dem eigenen Interesse bestimmter Individuen mehr als dem eigenen Interesse anderer Individuen. Jemand kann also das Gewicht seines eigenen Interesses dadurch verst�rken, dass er solche Alternativen von vornherein ausschlie�t, die der von ihm favorisierten Alternative überlegen sein k�nnten bzw. für ihn besonders unangenehm wären.

*VI-124*
Mich mit den "selbstdestruktiven" Normen befassen wie: "Gegebene Versprechen muss man nicht halten!"

*VI-125*
Mich mit den Beispielen Kants zur Anwendung seines Kategorischen Imperativs kritisch befassen.

*VI-126*
Ist eine ordinale Nutzenmessung mit dem Solidarit�tsprinzip vereinbar? Es können dann keine Nutzendifferenzen ber�cksichtigt werden, da es sich nicht um eine Intervall-Skala handelt. Intuitiv gesprochen kann nicht ber�cksichtigt werden, wie gro� der Unterschied zwischen zwei Alternativen im Bezug auf das Eigeninteresse eines Individuums ist, es kann nur angegeben werden, dass ein Unterschied besteht und in welcher Richtung. Das bedeutet aber, dass eine beinahe gleichg�ltige Rangfolge N2 > N1 für Individuum P1 die umgekehrte Rangfolge N1 > N2 des Individuums P2 aufheben kann, obwohl für P2 die Alternative N1 einen gewaltigen Unterschied zu N2 macht und vielleicht für ihn nach seinen eigenen Worten "einen Unterschied wie Tag und Nacht" darstellt.

*VI-127*
Myrdal, Arrow wenden sich u.a. gegen das utilitaristische Verfahren der Addition der Einzelnutzen zum Gesamtnutzen. Warum nimmt man die Summe der Einzelnutzen und nicht das Produkt, die Quadratzahl oder die Wurzel. Eine Frage dabei ist, ob dabei andere Alternativen gew�hlt w�rden. Klar ist, dass sich verschiedene Zahlenwerte für die Gesamtnutzen ergeben w�rden. Aber diese Zahlenwerte sind uninteressant für die Entscheidung. Es wäre zum Beispiel interessant zu sehen, ob sich dabei andere Sieger ergeben? (Mathematisch: Welche Art von Transformation: linear, monoton etc.?)
Beispiel Einzelnutzen:
N1 N2
P1 3 5
P2 7 6
P3 1 1
Summe: 10 12
Produkt: 21 30
Mittel: 3,6 4
Schon bei der Multiplikation w�rde sich der erste Platz verschieben können:
N1 N2
P1 7 3
P2 1 4
Summe: 8 7
Produkt: 7 12
Ein Argument gegen die Multiplikation wäre, dass dann zum Beispiel ein Individuum für sich nur den Wert "null" einzugeben brauchte, um den Gesamtwert "null" werden zu lassen. Die Summe ist auch deshalb sinnvoll, weil sie dem arithmetischen Mittel der Einzelnutzen entspricht: Die Alternative mit der gr��ten Nutzensumme ist auch die mit dem gr��ten durchschnittlichen Nutzen pro Individuum.

*VI-127*
Die Streuung der Nutzen der verschiedenen Alternativen ergibt ein Ma� für die Gleichheit. Allerdings ist die Streuung der Nutzen etwas anderes als die Streuung der empirischen G�termengen. Der Nutzen muss nicht der empirischen Menge entspricht, denn es können nichtlineare Nutzenfunktionen vorkommen und Nutzeninterdependenzen (z. B. Vergleich mit anderen).

*VI-128*
Inwiefern sollten natürliche Benachteiligungen (Verkr�ppelung zum Beispiel) ber�cksichtigt werden, die durch keine normative Alternative beseitigt werden können? W�rden sich nach dem Solidarit�tsprinzip Kompensationen für die von Natur aus unab�nderlich Benachteiligten ergeben?

*VI-129*
"Gleiches Recht für alle!" fordert die gleiche Anwendung der gleichen Gesetze, ohne Ansehung der Person. Wenn man es so interpretiert, dass alle Individuen "gleichberechtigt" sein sollen, so kann das nur auf der Ebene der allgemeinen staatsb�rgerlichen Rechte gelten. Sonst k�nnte man keine Kompetenzverteilung vornehmen, wodurch bestimmten Individuen bestimmte Entscheidungsbefugnisse übertragen werden. Es wären dann auch keine Organisationen m�glich, weil es keine Aufgabenverteilung geben k�nnte. Es d�rften dann auch keine unterschiedlichen Pflichten existieren. Alle wären berechtigt bzw. verpflichtet, dieselben Handlungen auszuf�hren.

*VI-130*
"Ber�cksichtige bei der Auswahl der g�ltigen Norm die Interessen aller Individuen mit dem gleichen Gewicht wie dein eigenes!"
"Ber�cksichtige bei der Auswahl der g�ltigen Norm die Interessen aller Individuen in gleicher Weise!"
Diese Formulierung ist jedoch noch unvollst�ndig. Denn auch die Negierung aller Einzelinteressen wäre eine Behandlung in gleicher Weise - sogar mit gleichem Gewicht. Die Formulierung "in gleicher Weise" reicht nicht aus, denn in gleicher Weise können die verschiedensten Ma�st�be an die Einzelinteressen angelegt werden. Es muss auf jeden Fall hinzu kommen, dass die g�ltige Norm den Einzelinteressen m�glichst entsprechen soll.
Weitere Formulierungsversuche:
- "Die g�ltigen Norm ist diejenige Norm, die dem Gesamtinteresse am besten entspricht."
- "Das Gesamtinteresse ist die Zusammenfassung der gleich gewichteten Einzelinteressen."
- "Die g�ltige Norm ist diejenige Norm, deren Existenz jeder solidarisch Gesinnte wollen kann."
- "Ein Individuum ist solidarisch gesinnt, wenn es bei der Entscheidung über die Existenz einer Norm das Interesse jedes andern mit dem gleichen Gewicht ber�cksichtigt wie sein eigenes."
- "Ein Individuum ist solidarisch gesinnt, wenn es der Erf�llung seines eigenen Willens das gleiche Gewicht beimisst wie der Erf�llung des Willens jedes anderen Individuums."
- "Ein Individuum ist solidarisch gesinnt, wenn es der Befriedigung seines eigenen Interesses das gleiche Gewicht beimisst, wie der Befriedigung des Interesses jedes anderen."
- "Ein Individuum ist solidarisch gesinnt, wenn es die weitestgehende Befriedigung aller Einzelinteressen in gleicher Weise will."
- "Die g�ltige Norm ist diejenige Norm, deren Existenz jeder wollen kann, der der Befriedigung seines eigenen Interesses das gleiche Gewicht beimisst wie der Befriedigung des Interesses jedes anderen Individuums."

*VI-131*
Zum Solidarit�tsprinzip
" � die fremden Interessen so ber�cksichtigen als wenn es seine eigenen wären."
Eine Alternative befriedigt ein Interesse, wenn sie diesem so weit wie m�glich entspricht.
Eine Alternative befriedigt mehrere Interessen, wenn sie diesen Interessen so weit wie m�glich entspricht.

"Suche nach konsensf�higen (g�ltigen) Normen!" Konsensf�hig (g�ltig) sind Normen, deren Existenz jeder wollen kann.

Der normative Konsens wird nur dadurch m�glich, dass jeder solidarisch gesinnt ist.

Solidarisch gesinnt sein hei�t, der Befriedigung des eigenen Interesses das gleiche Gewicht beizumessen wie der Befriedigung des Interesses jedes anderen Individuums.

"Suche nach Normen, deren Existenz jeder wollen kann, der der Befriedigung des eigenen Interesses das gleiche Gewicht beimisst wie der Befriedigung des Interesses jedes anderen Individuums."

Der Befriedigung des eigenen Interesses das gleiche Gewicht beizumessen wie der jedes anderen hei�t: "Die gr��te durchschnittliche Befriedigung von jedermanns Interesse anzustreben" Oder: "Den durchschnittlichen Einzelnutzen maximieren".

*VI-132*
Die Individuen treten einmal als Subjekte in Erscheinung (die die beteiligten Interessen gegeneinander abw�gen.) Dabei gelten die aus dem Intersubjektivit�tsgebot ableitbaren Regeln wie �ffentlichkeit, Meinungsfreiheit, Verst�ndlichkeit, Wissenschaftlichkeit, Sanktionsverbot, Manipulationsverbot, etc..
Zum anderen treten die Individuen als Objekte in Erscheinung. (Ihre Einzelinteressen sind Gegenst�nde der Beurteilung durch die andern.)
Um ihre Interessen intersubjektiv übereinstimmend bestimmen zu können, ist es unter Umst�nden erforderlich, dass die Untersuchten in einer Weise handeln, die ihre Interessen intersubjektiv feststellbar macht, zum Beispiel abstimmen, tauschen, w�rfeln etc..

*VI-133*
Der Konsens nach dem Solidarit�tsprinzip kann durch Entscheidungsverfahren angen�hert werden. Hierzu z�hlen zum Beispiel Abstimmungsverfahren und Vertragssysteme.
Bei diesen Verfahren ist es meist so, dass die Feststellung der Einzelinteressen den betreffenden Individuen selber überlassen bleibt und die ermittelten Nutzenwerte dann in bestimmter Weise aggregiert werden.
Hier ist jeder nur für sich selber Objekt und der Konsens über die Einzelinteressen wird durch einen Konsens über das Aggregationsverfahren ersetzt. Der Konsens über die Beurteilung der einzelnen Interessen und ihre Zusammenfassung in einem Gesamtinteresse wird angen�hert durch einen Konsens über Aggregationsverfahren, wo jeder selbst beurteilt, wie sein Einzelinteresse beschaffen ist. Oder bleiben die Einzelinteressen der anderen für jeden Blankoschecks, die allein der andere nach Belieben ausf�llen darf und nur die Aggregationsverfahren bed�rfen des Konsens gem�� dem Solidarit�tsprinzip?

*VI-134*
W�rde sich bei der Anwendung von ethischen Pr�ferenzen (Harsanyi) das Unm�glichkeitstheorem weiterhin stellen? Es wäre ja anzunehmen, dass diese Pr�ferenzen relativ eng beieinander liegen. Das k�nnte bedeuten, dass die Bedingung der "unrestricted domain" ihre Bedeutung verliert, weil bestimmte Strukturen von Pr�ferenzen nicht vorkommen.

*VI-135*
Einen ausf�hrlichen Abschnitt über das Eigeninteresse einf�gen, wo psychologisch einmal die Voraussetzung aufgekl�rter, freier und konsistenter Pr�ferenzen analysiert wird und wo zu zeigen ist, welche komplizierten Voraussetzungen die individuelle Rationalit�t, ein konsistenter Wille, die Einheit der Person etc. haben. (Nicht vergessen: assoziatives Lernen versus theoretisches Lernen, die Macht der Vergangenheit, der Gewohnheit etc..)

*VI-136*
Wenn ich sage: "Ich halte die Norm N für g�ltig", so verpflichte ich mich damit noch zu keinem bestimmten Handeln. Wenn ich jedoch einen Vertrag abschlie�e, halte ich ihn zugleich für g�ltig und verbindlich.

*VI-137*
Terminologisches: "Eigeninteresse" und "Einzelinteresse" unterscheiden. Das Letztere kann auch altruistische Motivationen beinhalten.

*VI-138*
Habermas kritisiert an Ilting, dass es keinen "egoistischen" Grund gibt, Vertr�ge einzuhalten. Das Problem der Einhaltung von Vertr�gen verschwindet, wenn bei Vertragsschluss ein automatischer Sanktionsmechanismus etabliert wird.

*VI-139*
Wie lässt sich das Prinzip begr�nden, dass empirisch gleiche Alternativen auch gleich bewertet werden m�ssen? Handelt es sich hier um eine Verletzung des Humeschen Gesetzes? (Sen 1970, S. 133-)

*VI-140*
Den Unterschied zwischen Argumenten und Drohungen bzw. anderen Beeinflussungen genauer herausarbeiten.

*VI-141*
Reale soziale Ordnungen werden durch das ihnen zu Grunde liegende Normensystem nicht vollst�ndig beschrieben. Allgemeine Normen schreibe mir keine bestimmte Handlungen vor, sondern sind mit einer Vielzahl von verschiedenen Handlungsweisen und Zust�nde vereinbar. So sagt die Tatsache, dass das Mehrheitsprinzip gilt, zum Beispiel noch nichts darüber aus, welche Beschl�sse tats�chlich gefasst werden. Und die die Existenz der Tauschwirtschaft sagt nichts darüber aus, welche Lebensstandard die Leute tats�chlich haben usw. Die konkreten Pr�ferenzen und Verhältnisse, die genaue Ausgestaltung eines Normensystems bestimmen, werden durch das Normensystem nicht direkt erfasst.

*VI-142*
Gegen die rationalistische Verflachung des Individuums und seiner Entscheidungen. Der K�nstler und der Psychoanalytiker wissen mehr über das Individuum und seine Motive als die �konomische Theorie. Die Nutzenfunktion als Wiedergabe der Motivationsstruktur ist eine riesige Vereinfachung. Jedes einzelne Individuum ist als System und Organismus so kompliziert wie eine ganze Gesellschaftsordnung.

*VI-143*
Die Frage: "Soll ich diese Norm befolgen?" ist doppeldeutig: Sie betrifft einmal das Eigeninteresse (Klugheit) und zum anderen die "Moral". natürlich können bei einem effektiven Sanktionssystem für eine g�ltige Norm beide Kriterien zusammenfallen.

*VI-144*
Moral aus Eigeninteresse begr�nden? Hume (? Mill) verweist auf "moralische Impulse", dass man nur zufrieden sein kann, wenn man mit sich selber moralisch zufrieden sein kann, von der Umwelt geachtet wird etc..( Aber diese Motive sind sicher bei einem gro�en Teil der Bev�lkerung erst Produkt moralischer Erziehung.)

*VI-145*
Die Formulierung des Solidarit�tsprinzips muss noch verbessert werden: In der Formulierung "die Interessen jedes Individuums m�ssen gleichgewichtig (in gleicher Weise) ber�cksichtigt werden" bleibt manches unklar. Denn was hei�t: "in gleicher Weise ber�cksichtigen"? Nimmt man zum Beispiel den Indikator "Lautst�rke des H�ndeklatschens" für alle" in gleicher Weise", ist dann das Solidarit�tsgebot verletzt?

*VI-146*
Oder man spielt Roulette. Werden dabei die Interessen nicht auch in "gleicher Weise" ber�cksichtigt? Oder man stellt gar alle an die Wand und erschie�t sie "in gleicher Weise". Auf jeden Fall muss in die Formulierung neben der Gleichheit auch noch der positive Bezug zu den Interessen (was im Ausdruck" ber�cksichtigen" von Interessen meist bereits gemeint ist), denn man kann Interessen auch in gleicher Weise verletzen.

*VI-147*
Angenommen bei gleicher Geldausstattung (jeder hat 100 Einheiten) wird über die Wahl von Alternativen entschieden entspricht das dem Solidarit�tsprinzip? Was ist mit besonders Bed�rftigen, zum Beispiel Invaliden? Sie haben gr��ere Bed�rfnisse, wenn sie das gleiche Nutzenniveau erreichen wollen. Inwiefern ist das Prinzip "Entscheide so, als w�rst du zugleich jeder andere" mit dem obigen Prinzip identisch?

*VI-148*
Der Ausdruck "den Streit entscheiden" ist doppeldeutig. Durch Gewaltanwendung entscheidet man, wer st�rker ist und dessen Auffassung sich faktisch durchsetzt. Durch Argumente entscheidet man, wessen Auffassung sich durchsetzen sollte, wer recht hat.

*VI-149*
Ein Beispiel für Umstellungskosten: die Einf�hrung des Rechtsverkehrs in Schweden (Aktion H).

*VI-150*
Die Forderung nach Konsistenz und Stabilit�t der individuellen Pr�ferenzen ergibt sich aus der Tatsache, dass die Normen, die gem�� dem Eigeninteresse der Individuen gebildet werden sollen, eine l�ngere zeitliche Dauer ihrer Existenz haben (aus Gr�nden der Umstellungskosten, Informationskosten etc.). Unter dieser Bedingung ist es für das Individuum rational, nicht nur Augenblicksw�nsche zu �u�ern, sondern sich zu fragen: "Kann ich das morgen (in einigen Jahren) ebenfalls noch wollen? Wie stabil ist mein wollen? Was ist mein langfristiges und damit relevantes Wollen?"

*VI-151*
Die ähnlichkeiten zwischen dem intersubjektiven und dem intertemporalen Nutzenvergleich herausarbeiten. Auch beim intertemporalen Nutzenvergleich muss ich mich aus meiner jetzigen Situation" heraus denken" und mich in eine andere Lage � n�mlich die, die ich selber zuk�nftig einnehmen werde � hineinversetzen. Zu dieser ver�nderten Lage geh�ren auch die ver�nderte Pr�ferenzen, nicht nur �u�ere Situationsbedingungen. Solche Ber�cksichtigung der zuk�nftigen eigenen Lage wird bei allen Entscheidungen mit langfristigen Folgen notwendig.

*VI-152*
Es besteht eine Differenz zwischen "kognitiver Vorstellung" und "konkretem Erleben". Beschreibungen mit allgemeinen Begriffen gehen nicht einher mit einer bewussten Vergegenw�rtigung der Einzelf�lle.

*VI-153*
Qualifizierter Wille. Die Qualifikationsbedingungen m�ssen so begr�ndet sein, dass das Individuum selber seine bisherige Entscheidung korrigiert und bestimmte Bedingungen als den eigenen Willen verf�lschend festmacht. (Sind diese verf�lschenden Bedingungen für alle Individuen und für alle F�lle die gleichen? M�ssen sie es überhaupt sein?)

*VI-154*
Jemand sagt: "Erst wenn der Mensch Pr�gel bekommt, kann er seine wirklichen Interessen erkennen und �u�ern." Was kann man gegen solche Behauptungen einwenden? Man k�nnte sagen: "Wenn man das Individuum selber fragen w�rde, w�rde es dies verneinen." Man k�nnte sagen: "Mittels Pr�gel oder Folter ist jede beliebige Willens�u�erung erzwingbar." Die Interessenbestimmung eines Individuums w�rde dann vom Willen des Pr�gelnden und nicht vom Willen des betreffenden Individuums abh�ngen.

*VI-155*
Gegen eine Bestimmung des Interesses eines Individuums, die sich vom Willen des Individuums v�llig l�st. Man kann dagegen nur vorgehen, wenn man die Funktion des Begriffs "Interesse" im Zusammenhang einer Begr�ndung normativer Ethik offenlegt. Denn gegen isolierte Definitionen von "Interesse" im leeren Raum kann man sich nicht wehren. Das bleibt ein unfruchtbarer Streit um Worte, um das, was Interesse "wirklich" ist.

*VI-156*
Stattdessen ist die Funktion des Begriffs "Interesse" zu bestimmen im Zusammenhang der Fragestellung und im Zusammenhang der Theorien, in denen der Begriff seine Bedeutung hat. Wenn er im Rahmen einer normativen Theorie gebraucht werden soll, so ergibt sich von dort her seine Bestimmung. Er muss so bestimmt werden, dass er zur Bildung und Begr�ndung g�ltiger Normen geeignet ist.

*VI-157*
Dem Streit um Normen liegt ein Interessenkonflikt zugrunde. Werden die Interessen unabh�ngig vom Willen der Individuen bestimmt, so ist die Konsensf�higkeit von Seiten der Entm�ndigten nicht mehr gegeben.

*VI-158*
Argumentationsregel. Die Argumente m�ssen den Anspruch auf Nachvollziehbarkeit durch jedermann haben. Deshalb darf ein Argument nicht durch den Hinweis auf die Person, die das Argument vorbringt, abgelehnt werden, es darf nicht personalisiert werden. Die personelle Herkunft eines Arguments kann h�chstens einen Ideologieverdacht rechtfertigen, widerlegen kann man das Argument jedoch damit nicht.

*VI-159*
Die Erweiterung von Handlungsm�glichkeiten, die Schaffung zus�tzlicher Alternativen wird oft als Erweiterung der Freiheit (des Handlungsspielraums) bezeichnet. Freiheit ist nicht nur die Wahl zwischen den gegebenen M�glichkeiten.

*VI-160*
"Wenn jeder das tun w�rde, g�be es nicht-w�nschenswerte Ergebnisse." Dies ist Singers Kriterium für die Rechtfertigung moralischer Normen. Damit wird das Problem jedoch nur auf die Ebene der Bewertung verschoben, denn was sind "nicht-w�nschenswerte Ergebnisse"? Ein Ergebnis kann für Individuum A w�nschenswert sein und für Individuum B nicht. Unter der Hand wird von Singer wohl angenommen, dass sich die Vor- und Nachteile auf alle Individuen etwa gleichm��ig verteilen, wenn jeder so handelt. Aber hier kann es strukturelle Asymmetrien geben von der Art, dass bestimmte Individuen bzw. Klassen von Individuen vorwiegend die Vorteile und die anderen Individuen bzw. Klassen von Individuen vorwiegend die Nachteile des Handelns erfahren. Etwa beim Schuldnerbeispiel Hare's.

*VI-161*
Wenn bestimmte Personen wegen der Verm�gensverteilung vorwiegend als Geldverleiher und Gl�ubiger auftreten, andere dagegen vor allem als Kreditnehmer und Schuldner, so kann den reichen Gl�ubiger der Gedanke nicht beeindrucken, dass auch andere vielleicht einmal das Recht haben k�nnten, ihn wegen Zahlungsunf�higkeit einzusperren. Er wird in diese Lage aller Wahrscheinlichkeit nach nicht kommen.
Dazu muss die Ber�cksichtigung der Interessen des anderen kommen, selbst wenn man tats�chlich nicht in dessen Situation ist und auch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in dessen Situation kommen wird.

*VI-162*
Zur Terminologie. Die Frage: "Hat A (moralisch) richtig gehandelt (bzw. entschieden)? " muss man unterscheiden von der Frage: "Ist die Norm N g�ltig?" Richtige Handlungen sind solche, die nicht gegen verbindliche Normen versto�en. Verbindliche Normen sind Normen, die g�ltig sind oder gelten und existieren.(?)

*VI-163*
Kann ich eine eigene Handlung für richtig halten, ohne diese Handlung bei anderen ebenfalls für richtig zu halten? Man sagt: "Was Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen noch lange nicht erlaubt". Oder: "Wenn zwei dasselbe tun, ist es nicht dasselbe." Diese paradoxe Formulierung ist aufzul�sen.
Der Unterschied k�nnte allein in der Person liegen: Einmal ist es die Handlung von A, das andere Mal ist es die Handlung von B. Die Norm wäre dann nur in individueller Weise formuliert "für alle Individuen au�er A ist es verboten, x zu tun!"

*VI-164*
Kann diese Norm gegenüber jedermann gerechtfertigt werden? Wohl kaum, es m�ssten schon besondere Eigenschaften der Person genannt werden, um eine solche pers�nliche Ausnahme zu rechtfertigen. Die Frage ist dann natürlich noch, welche Eigenschaften eine Ausnahme rechtfertigen können. Welche Eigenschaften sind normativ relevant?
Dass solche Unterschiede zwischen Individuen aufgrund bestimmter Eigenschaften überhaupt gemacht werden sollen, ist wohl unumstritten: für Kinder oder Behinderte m�ssen andere Rechte gelten als für Erwachsene und Gesunde.

*VI-165*
Man k�nnte das Solidarit�tsprinzip auch so formulieren: "Sieh" im andern dich selber!". Damit wird die ethische Entscheidung gewisserma�en zu einer intraindividuellen Entscheidung. Ist so ein Konsens herstellbar?

*VI-166*
Zur Informiertheit als Qualifikationsbedingung des individuellen Willens. Hierzu geh�rt auch die Information über die Eigenschaften in Bezug zu den Empfindungen des entscheidenden Subjekts. Zum Beispiel bei Speisen: Auch die vollst�ndigste Information über die chemische und physikalische Beschaffenheit der Speise kann nicht die Erfahrung ersetzen, wie mir die Speise schmeckt. Bestimmte Dinge muss man selber gef�hlt, geschmeckt, erfahren haben, um sie bewerten zu können. Zum Beispiel kann keine noch so genaue Beschreibung einer Symphonie das H�ren ersetzen, keine noch so genaue Beschreibung des Geschlechtsverkehrs das Erlebnis. Zur Bewertung von Alternativen ist "Erfahrung" in einem allgemeineren Sinne notwendig als empirisch wissenschaftliche Beobachtung.

*VI-167*
W�hrend die Erfahrung im weiteren Sinne gewisserma�en auf praktisch eine sinnliche Dimension reduziert ist, die visuelle Beobachtung, ist Erfahrung im allgemeineren Sinne jede Form der Wahrnehmung und Empfindung durch alle Sinne, wozu Geschmack geh�rt, Tasten usw. einschlie�lich nur subjektiv zug�ngliche Empfindungen wie Angst, Ekel, Schmerz Wohlgef�hllust.
Zu dieser Erfahrung" geh�rt neben der Kenntnis der objektiven Beschaffenheit des Objektes immer noch die Kenntnis der subjektiven Empfindungen, die dadurch ausgel�st werden. Ein Physiker kann zum Beispiel Zucker genauestens beschreiben in seiner chemischen Zusammensetzung, seiner kristallinen Form, seinem Herstellungsverfahren, aber damit ist für jemanden, der keinen Zucker kennt, noch nicht gesagt, ob er Zucker mag, ob er ihm schmeckt. Es wäre auch m�glich, dass ein Psychologe bzw. Physiologe zu ihm sagt: "Zucker schmeckt s��", sofern der Betreffende den Geschmack des S��en zum Beispiel vom Honig bereits kennt. Oder konkreter: "Zucker schmeckt wie Honig." (Hier wäre die Situation dadurch erleichtert, dass die Empfindung des S��en durch den im Honig enthaltenen Zucker bewirkt wird.)
Wenn kein Vergleich mit dem Individuum bereits bekannten Empfindungen m�glich ist, so k�nnte man noch generell sagen: "Zucker schmeckt den meisten Menschen � und Tieren � angenehm." Man sagt also ohne Spezifizierung des Geschmacks: "Zucker wird auch dir schmecken."
Im Normalfall wird man das Problem wahrscheinlich "empirisch" l�sen. Man wird dem Individuum etwas Zucker zum Probieren geben. Die direkte Erfahrung des Geschmacks gibt dann die Grundlage der Bewertung ab, und nicht theoretische Schlussfolgerungen über die physikalische Gleichheit oder Ungleichheit oder ähnlichkeit von Objekten und die psychologischer Gleichheit oder ähnlichkeit von Menschen.

*VI-168*
Das Universalit�tsgebot, dass man gleiche Handlungen unabh�ngig von den beteiligten Personen auch gleich beurteilen soll, ergibt sich logisch aus dem Solidarit�tsgebot. Dies verlangt, dass man bei der Bestimmung der Normen die Interessen jedes anderen so ber�cksichtigt als wären es zugleich die eigenen. Damit kann der Hinweis, dass es sich um verschiedene Personen handelt, kein Argument mehr sein. Allerdings wäre der Hinweis auf objektive Verschiedenheiten der Personen ein m�gliches Argument. Doch diese lassen sich ohne Nennung von Namen beschreiben

*VI-169*
"Du sollst x tun!" Wenn es ein blo�er Imperativ ist, so spielt nur Gehorsam eine Rolle, nicht jedoch die Problematik der Anerkennbarkeit durch den Adressaten. über blo�e Imperative kann man nicht argumentieren und braucht man auch nicht zu argumentieren, insofern sie nur das GewaltVerhältnis ausdr�cken. Man k�nnte einen solchen Imperativ auch durch den Satz ausdr�cken: "Ich will, dass du x tust".

*VI-170*
Wenn der Satz: "Du sollst x tun!" eine Norm mit universaler G�ltigkeit sein soll, so wird Ihre Anerkennbarkeit durch den Adressaten vorausgesetzt. (Wenn nicht, dann wäre es ja wieder ein GewaltVerhältnis.) D.h.: Auch der Adressat muss wollen können, dass er x tut. Man k�nnte die Norm auch durch den Satz ausdr�cken: " Es ist allgemeiner Wille, dass du x tust", oder konkreter: "wir wollen, dass du x tust" (wobei der Adressat in das "wir" eingeschlossen ist).

*VI-171*
Gegen das Kriterium der Generalisierbarkeit bei SINGER: "Was wäre, wenn jeder so handeln w�rde?" Das Kriterium versagt bei Helden. Zum Beispiel war es sicherlich moralisch wertvoll, dass Albert Schweitzer als Arzt in den Urwald gegangen ist: Aber was wäre, wenn jeder so handeln w�rde? Dann wäre Europa entv�lkert und Afrika h�tte einen überfluss an �rzten - ein Zustand, den wohl niemand will.
Allerdings k�nnte man sich dadurch retten, dass man die Maxime nach der Albert Schweitzer gehandelt hat, abstrakter fasst, etwa indem man sagt: "Man soll den Menschen helfen, die in der gr��ten Not sind", anstatt zu sagen:"Man soll als Arzt den Schwarzen in Afrika helfen."

*VI-172*
Konkrete Handlungen können den verschiedensten Maximen zugeordnet werden. Dies gibt den Individuen die M�glichkeit, ihre Handlungen durch Interpretation mit einer ehrenwerten Maxime im besten Licht erscheinen zu lassen. Ob dies die wirklichen Maximen sind, lässt sich an der einzelnen Handlung nicht nachpr�fen, denn mehrere Maximen sind im Einklang mit der Handlung.

Dies lässt sich erst durch Vergleich mit anderen Handlungen desselben Individuums feststellen, einschlie�lich der dazu angegebenen Maximen. Wenn jemand seinen Besuch bei einer �lteren alleinstehenden Verwandten mit der Maxime interpretiert: "Man muss sich um die �lteren Verwandten k�mmern, damit sie nicht vereinsamen!", so lässt sich die Ehrlichkeit dieser Maxime dadurch infrage stellen, dass man sie mit der Tatsache konfrontiert, dass der Betreffende nur solche �lteren Verwandten besucht hat, von denen eine Erbschaft erwartet wurde, und die mittellosen Verwandten ausgespart hat.

*VI-173*
Wenn man eine Handlung rechtfertigt, so nennt man Gr�nde: "Diese Handlung ist richtig, weil�". In dem begr�ndenden Nebensatz wird ein Grund genannt, der auch vom andern anerkannt werden kann. Die Handlung wird als im Einklang mit einer g�ltigen Norm dargestellt, einem normativen Gesetz. (Die Analogie von Rechtfertigung und Erkl�rung einmal darstellen: Anwendungsbedingungen, Gesetz, etc.).

*VI-174*
Zur Analogie von normativem und empirischem Gesetz. Zur überpr�fung muss man aus der Norm m�gliche F�lle und deren L�sung ableiten. Dann muss man fragen, ob die Norm akzeptierbar bleibt.

*VI-175*
Aus der Tatsache, dass jemand keinen qualifizierten Willen besitzt, folgt noch nicht, dass jemand anders besser als er selbst geeignet ist, seine Interessen zu bestimmen. Hier treten die Probleme der Rekonstruktion von Interessen auf. Es stellt sich hier auch die Frage, wer diese Interessen rekonstruieren und vertreten soll. In diesem Zusammenhang das Argument von Mill heranziehen, dass jede Regierung für die M�ndigkeit ihrer erwachsenen B�rger verantwortlich ist und deshalb stellvertretende Herrschaft h�chstens für eine übergangsphase gerechtfertigt werden kann.

*VI-176*
Folgt das �ffentlichkeitsgebot logisch aus dem Intersubjektivit�tsgebot oder versto�en Verfahrensweisen, die dem �ffentlichkeitsgebot widersprechen, gegen das Intersubjektivit�tsgebot? Oder sind beide Gebote inhaltlich dasselbe?

*VI-177*
Warum ber�cksichtigt man nicht den Willen der Tiere? Im Prinzip k�nnte man dies machen, aber man kann das Problem auch dadurch klären, dass man das Verhältnis zu den Tieren offen als GewaltVerhältnis kennzeichnet (Was es wohl auch ist.)

*VI-178*
Man informiert ein Individuum nicht nur über die Konsequenzen der verschiedenen Handlungsalternativen, sondern f�hrt ihm diese eindringlich vor Augen. Jemand, der sich für ein lebensgef�hrliches Risiko entscheidet, muss sich den m�glichen qualvollen Tod vorstellen können. Er muss "wissen, wie das ist."

*VI-179*
Zur Verallgemeinerbarkeit von Normen: Wenn Handlungen mit deskriptiven Begriffen beschrieben werden, ist die Verallgemeinerung in der Beschreibung bereits enthalten. Zum Beispiel wenn ich das Wort "Radfahren" benutze, so bezeichne ich nicht nur eine zeit-r�umlich spezifizierte Handlung, sondern ein Element aus einer ganzen Klasse von Handlungen, die alle mit dem gleichen Begriff bezeichnet werden.
Eine einzelne, singul�re Handlung kann man h�chstens durch die Verwendung von Demonstrativpronomen wie "diese Handlung" bezeichnen oder durch Zeit-Raum-Koordinaten: "Peters Handlung um 10.15 am 01.01.1970". Aber solche Bezeichnungen sind "begriffslos". Aus ihnen kann das Individuum nichts darüber lernen, wie es zuk�nftig handeln soll, weil die Handlung nur als singul�re ("diese Handlung") normiert wurde. In ähnlicher Weise kann man aus Normen, die nur an singul�re Individuen (namentlich gezeichnete Individuen) adressiert sind, nicht lernen, wie sich andere Individuen verhalten sollen. W�hrend bei der Benutzung deskriptiver Termini zur Bezeichnung der Adressaten zum Beispiel" M�nner", "Menschen über 18 Jahre" etc., auch über die Normierung des Verhaltens anderer Adressaten etwas ausgesagt wird.
Allerdings kann man den raumzeitlichen Geltungsbereich einer Norm spezifizieren, obwohl man deskriptive Termini benutzt: "Du sollst hier und jetzt nicht Radfahren!", "Du sollst morgen Fr�h um acht Uhr nicht mehr schlafen!" Wenn man keine deskriptiven Termini benutzt, kann man kein zuk�nftiges Handeln normieren, denn man kann den Adressaten nicht über die Handlungen informieren, die normiert werden sollen. Das Demonstrativpronomen � in Verbindung mit einem Hinweis � "diese Handlung" lässt sich nur auf gegenw�rtig Wahrnehmbares anwenden.

*VI-180*
Zur Problematik der M�glichkeit. Angenommen es geht um eine Handlung, die einem einzelnen Individuum A nicht m�glich ist, aber mehreren Individuen gemeinsam, wie zum Beispiel das Entfernen eines gro�en Felsbrockens. Wenn nun jedes Individuum einzeln adressiert wird: "Entferne den Stein!", so wird vom einzelnen Unm�gliches verlangt. Dagegen w�rde der Befehl an beide gemeinsam: "Entfernt den Stein!" nichts Unm�gliches verlangen.

(Ende von Heft VI)


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