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Notizen zu Recht und Moral
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Warum gibt es neben 
der Moral überhaupt eine Rechtsordnung mit Recht setzenden Institutionen?
Ein Grund ist der, dass alle allgemeinen Normen auf den Einzelfall angewandt 
werden müssen und dazu "ausgelegt"   werden müssen. Da über die 
Auslegung einer Norm Uneinigkeit bestehen kann, muss ein Entscheidungsverfahren 
geschaffen werden, z. B. in Form eines Richters, der die Norm verbindlich 
auslegt.
Ein weiterer Grund ist, dass die Anwendung von Normen voraussetzt, dass man 
bestimmte Tatsachen feststellt, die als Bedingungen ihrer Anwendung in diesen 
Normen enthalten sind. Da über diese Tatsachen Uneinigkeit bestehen kann, muss 
ein Entscheidungsverfahren geschaffen werden, z. B. in Form eines Richters, der 
nach pflichtgemäßen Ermessen die verschiedenen Behauptungen und Beweise würdigt.
Denkbar sind natürlich auch andere Entscheidungsverfahren 
als eine einzelne Person, die das Amt des Richters bekleidet: der Familienrat, 
das Familienoberhaupt, ein "Gottesurteil", die Würfel, eine Standesvertretung, 
ein von den Streitenden gemeinsam angerufener Schiedsmann 
etc.. Die Übergänge 
zwischen Moral und Recht sind hier fließend und ein Auseinandertreten beider 
Ordnungen stellt sich erst im Zuge zunehmender "Verrechtlichung"   ein.)
Eine Moral erfordert 
die Sanktionierung der Übertretungen. Auch hier bilden sich eigene Institutionen  
heraus, die die angemessene Strafe festsetzen und die Bestrafung der 
Normverletzer vollziehen. 
 
***
((Prinzipien des Rechtsstaates: / Weisungsunabhängigkeit der Richter / Recht auf Verteidigung / geregeltes Gerichtsverfahren in Bezug auf Untersuchungshaft / Verbot der Folter zur Gewinnung von Aussagen / / rechtliche Nachprüfbarkeit staatlichen Handelns. ))
***
Die Vorteile der Rechtsstaatlichkeit: 
- Gesetze werden schriftlich formuliert
- für neue Gesetze besteht ein Veröffentlichungszwang
- die Beteiligten wissen, welche Normen gelten 
- es besteht Vertrauensschutz, insofern als nur geltende Nomen angewandt werden 
dürfen
- Gesetze dürfen sich nicht auf zurückliegende Taten beziehen ("  Nulla poena 
sine lege"  )
- alle Institutionen, auch die Regierung, sind an die geltenden Normen 
gebunden
- nur in Notfällen darf der Rechtsweg vorübergehend verlassen werden (Notwehr, 
Gefahr im Verzug)
- es gibt keine Selbstjustiz, die Normanwendung ist Sache der Gerichte
- die Auswahl der zuständigen Gerichte ist unabhängig von Sonderinteressen 
geregelt, es gibt keine Sondergerichte
- es gibt für alle normsetzenden Verfahren Kontrollverfahren
- es gibt genau festgelegte Prozeduren für den Erlass eines Gesetzes
- die Gesetzgebung ist in ihrem Gang verfassungsmäßig geregelt und dieser kann 
von der jeweiligen Regierung nicht verändert werden
- Jeder Beschuldigte hat das Recht auf Verteidigung
- im Zweifel wird für den Beschuldigten entschieden ("in dubio pro reo"  )
....
Die Nachteile der Rechtsstaatlichkeit sind:
- die Langsamkeit und Schwerfälligkeit der Verfahren
- der große Aufwand, der erforderlich ist
- geringe Flexibilität durch die 
Beschränkung auf das positive Recht. Wer im staatlichen Auftrag eines 
Unrechtsstaates gemordet hat, kann nicht zur Verantwortung gezogen werden, da 
Normen nicht mit Rückwirkung gesetzt werden dürfen
...  
***
Wenn spezielle Verfahren und Institutionen für die Identifizierung, Ergreifung, Verurteilung und Bestrafung von Normverletzern geschaffen werden, kann man von einer "Rechtsordnung" sprechen, die neben der moralischen Ordnung entsteht. Im Unterschied zu den verinnerlichten Sanktionen (Schuldgefühl, schlechtes Gewissen) setzt die Bestrafung von Normverletzungen voraus, dass der Normverletzer identifiziert und ergriffen wird. Diese und weitere Besonderheiten der institutionalisierten Bestrafung können dazu führen, dass moralische und rechtliche Normen einer Gesellschaft nicht deckungsgleich sind.
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Eine Problematik rechtlicher Normen besteht darin, dass sie häufig allein "formal" bzw. verfahrensmäßig legitimiert und geprüft werden, wobei von einer inhaltlichen moralischen Prüfung der entstandenen Regelungen abgesehen wird. Zum Beispiel kann ein Darlehensvertrag mit dem Dritte-Welt-Land rechtswirksam zustande gekommen sein, und doch könnte das Bestehen der Gläubiger auf vollständiger Tilgung des Darlehens und Zahlung der vereinbarten Zinsen moralisch nicht zu rechtfertigen sein.
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Verbindlich gesetzte Rechtsnormen können Planungssicherheit geben und damit die 
Verfolgung langfristiger Zielsetzungen ermöglichen. Das 
kann ein rein moralisches Normensystem nicht. Aus Gründen 
der Planungssicherheit sollen z. B. Gesetze nicht 
rückwirkend erlassen werden ("  Keine Bestrafung ohne 
bestehendes Gesetz!", "Vertrauensschutz"   ). 
Rechtsnormen werden 
deshalb ausdrücklich ab einem bestimmten Datum in Kraft gesetzt 
und gelten nur innerhalb der Staatsgrenzen. Moralische 
Normen, die zwar hier gelten aber zwei Kilometer weiter nicht, oder 
die seit heute gelten aber gestern noch nicht, wären dagegen 
absurd.
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Moralische und die rechtliche Ordnung müssen sich ergänzen, weil jede der beiden Ordnungen Unterschiedliches leisten kann.
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Ein Ziel des Rechtssystems muss es sein, keine Fehlurteile zu fällen und
keinen Unschuldigen zu bestrafen. Aus diesem Ziel leiten sich zahlreiche 
organisatorische Vorkehrungen ab, die das Verfahren der Rechtsprechung und des 
Vollzugs verkomplizieren und den Justizapparat schwerfällig machen. So 
auch das Sprichwort: "Die Mühlen der Justiz mahlen langsam."  
Die Justiz versagt bei Bagatellfällen. Der 
Apparat ist viel zu kostspielig und schwerfällig. Es müsste dafür eine 
praktikable Schiedsstelle geben, die ohne viel Aufwand Streitfälle des Alltags 
entscheidet. Eventuell mit der Möglichkeit einer Berufung. Die 
Schiedsgerichtsbarkeit ist freiwillig.  
Eine Rechtsordnung verhindert das Hereinbrechen von Kampf und 
Krieg durch eine Art unausgesprochener 
Status-quo-Klausel. Diese besagt, dass die bisherige Norm weiter gilt, 
solange keine neue Norm gesetzt ist. Wenn also Dissens 
darüber besteht, ob eine bestehende Rechtsnorm beibehalten oder 
geändert werden soll, so wird durch diesen Dissens der 
Rechtsfriede nicht gefährdet, denn der bisherige rechtliche 
Status quo gilt davon unberührt weiter. 
Weiterhin wird die Möglichkeit von "Lücken"   
im Recht durch das Prinzip verhindert: "Was nicht verboten ist, 
ist erlaubt". Dadurch lässt das Recht keine Frage offen, 
d. h. wenn jemand  ein Gericht anruft und ein bestimmtes Recht 
fordert oder einen anderen verklagt, so kann es nicht passieren, 
dass das Gericht  ihm antwortet: "Wir können über Deine Klage 
nicht befinden, da Recht und Gesetz darüber nichts aussagen."  
  
***
Soziale Koordination:
Die Beantwortung der Frage: "Wie soll ich (in einer bestimmten Situation) 
handeln?", hängt nicht zuletzt davon ab, wie andere Menschen handeln. Da ich 
dies - ohne mich mit den andern darüber zu verständigen - nicht mit 
ausreichender Sicherheit wissen kann, muss ich bei meiner Entscheidung u. U. von 
der schlechtesten aller denkbaren Möglichkeiten ausgehen, um das Risiko gering 
zu halten. Das bedeutet: als isolierter Einzelner kann ich die Vorteile 
aufeinander abgestimmten Handelns nicht nutzen. Stattdessen muss ich ständig 
mit dem Schlimmsten rechnen, muss entsprechende Vorkehrungen dagegen treffen und 
muss viele gute Möglichkeiten aus lauter Vorsicht auslassen. 
Daraus folgt, dass es sinnvoll ist, gleich zu fragen: "Wie soll
man (in 
bestimmten Situationen) handeln?"   
Durch die Ausrichtung der Fragestellung auf das Handeln aller Beteiligten wird 
die soziale Koordination jedoch noch nicht erreicht. Denn die Einzelnen können 
zu unterschiedlichen Antworten kommen, wodurch die angestrebte Koordination 
wieder verfehlt wird.
Es muss also einen Mechanismus geben, der aus der Menge möglicher Antworten eine 
bestimmte Antwort auswählt und die darin angegebene Handlungsnorm als "geltend"   auszeichnet. 
Diese Auswahl kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Sie kann z. B. durch eine 
ungebrochene soziale oder religiöse Tradition bereits entschieden sein. Sie kann aber 
auch durch die gesetzgebenden Institutionen eines modernen Staates getroffen 
werden. 
Um eine soziale Koordination zu erreichen, ist es weiterhin notwendig, dass die "geltenden"   Handlungsnormen allen Beteiligten bekannt sind. Dies kann durch 
entsprechende Unterrichtung und Information der Individuen erreicht werden. 
Zum Gelingen der sozialen Koordination ist es schließlich erforderlich, dass die 
beteiligten Individuen hinreichend motiviert sind, die geltenden Handlungsnormen   
auch zu beachten. Dies kann durch Verinnerlichung der Normen im 
Sozialisationsprozess und durch die Sanktionierung der Normen erreicht werden.
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Ohne verinnerlichte moralische Einstellungen der Individuen ist eine Gesellschaft schlecht dran. Wenn keiner dem andern trauen kann, wenn jeder damit rechnen muss, vom andern hintergangen zu werden, sobald dieser glaubt, ungestraft davonzukommen, so ist das Zusammenleben äußerst erschwert. Die Polizei allein kann die soziale Ordnung nicht aufrecht erhalten.
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Es gibt 
immer Situationen, wo die äußeren Sanktionen nicht hinreichen und es einer 
verinnerlichten moralischen Haltung bedarf. Die Umkleidekabine im Schwimmbad, 
die beschmiert wird, der Fahrstuhl der beschädigt wird, die einsame Landstraße, 
an der Müll abgekippt wird: das "Auge des Gesetzes"   reicht nicht überall hin. 
Und der Spruch "der liebe Gott sieht alles"   ist heutzutage auch keine 
glaubwürdige Abschreckung mehr. 
Deshalb müssen die Individuen selber vom Sinn 
der geltenden Verhaltensnormen überzeugt sein und sie sich zu eigen gemacht 
haben. Eigene Verletzungen dieser Normen erlebt das Individuum dann als 
Versagen, sie beeinträchtigen sein Selbstwertgefühl, es verurteilt sich 
moralisch selbst und entwickelt Schuldgefühle.
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Wenn man auf die gegenwärtig in der Welt bestehende soziale Ordnung blickt, dann 
sieht man, dass die Menschen in gebietsmäßig abgegrenzten Staaten organisiert 
sind. Sie sind Staatsbürger, die in einer staatlichen Ordnung leben. Geht einmal 
eine staatliche Ordnung zugrunde, so bilden sich meist rasch neue 
staatliche Strukturen. 
Eine staatliche Ordnung verkörpert sich in Staatsorganen, die die oberste 
Entscheidungsbefugnis beanspruchen und die zugleich auch tatsächlich die Macht 
haben, ihre Entscheidungen innerhalb des jeweiligen Staatsgebietes gegen 
jedermann durchzusetzen.
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Was moralisch geboten sein kann, muss nicht gleichzeitig auch rechtlich geboten 
sein. 
Moralische Sensibilität ist in der Tat für jede Handlung angebracht. Die 
Rücksichtnahme auf andere und eine Abwägung der beteiligten Güter bzw. 
Interessen ist moralisch immer geboten. Insofern kann es kein moralisches Recht 
auf bedingungslose Selbstentfaltung geben. 
Andererseits wäre es unsinnig, entsprechende rechtliche Normen aufzustellen. So 
ist es sinnvoll, bestimmte Bereiche abzugrenzen, über die jeder allein bestimmen 
darf, weil sonst ständig unlösbare Abstimmungsprobleme mit anderen entstehen 
würden.  
Dies ist einer der Gründe für die Institution des Eigentums. Über sein Eigentum 
darf jeder nach Belieben verfügen. Der Wille des Eigentümers setzt die Norm, und 
diese Norm ist von jedermann zu respektieren. 
Ein solches Eigentum ist außerdem eine Bedingung dafür, dass überwiegend 
eigeninteressierte Wesen, wie es Menschen nun mal sind, sich bei der Arbeit 
anstrengen. Schließlich wollen sie etwas von ihren Mühen haben, sei es eine 
Ernte nach der Saat, sei es Mich von der gut gefütterten Kuh, sei es das 
monatliche Gehalt auf dem Konto für den Stress des beruflichen Alltags. 
Es kann also sein, dass ich rechtlich volle Verfügungsgewalt über mein Eigentum 
habe und dass ich gleichzeitig eine moralische Verpflichtung habe, einen Teil 
davon für wertvolle Vorhaben zu spenden.  
***
Das Normensystem ist in den Überzeugungen und 
Einstellungen der allermeisten Gesellschaftsmitglieder verankert, es sei denn, 
es existiert eine Konkurrenz verschiedener Normensysteme, weil sich die Gesellschaft in einem Umbruch 
befindet, wie z. B. bei Bürgerkrieg oder 
Fremdherrschaft. Werden die 
Normen der Moralität verletzt, so trifft den Normverletzer (im Folgenden auch 
kurz als "Täter" bezeichnet) die soziale Verachtung sowie eine damit 
einhergehende soziale Ausgrenzung. Außerdem treffen ihn der Hass und das 
Vergeltungsstreben derjenigen, die durch die Normverletzung direkt geschädigt 
wurden.  
Die "elementare Moralität" besteht aus 
praktizierten Sitten und Gewohnheiten, die aus einem gleichsam naturwüchsigen Prozess 
hervorgehen und sich nur allmählich verändern.
Der Übergang von der 
Moralität zur Rechtsordnung, die "Verrechtlichung" der normativen Ordnung ist 
ein fließender Prozess. Verrechtlichung bedeutet z. B., dass an Stelle der nur 
mündlichen Überlieferung schriftliche Normen (Gesetzestafeln aus Stein) 
herangezogen werden.
***
	
Wenn eine Normverletzung vom Normverletzer gar nicht gewollt wurde, ist eine 
Bestrafung unangebracht oder überflüssig. 
***
Kann man auf Moral verzichten, weil man eine 
Rechtsordnung hat?
(aus einer Diskussion)
Du meinst, dass wir auf Ethik oder Moral verzichten können, weil wir ja eine 
Rechtsordnung haben. 
Du schreibst: "Die Gesellschaft pocht lediglich auf die Einhaltung von Gesetzen. 
Und diese sind nicht moralisch oder ethisch begründet. Es sind 
vernunftbegründete Regeln des Zusammenlebens."   
Du schreibst weiter, dass "diese Gesetze von Leuten ausgearbeitet und erlassen 
(werden), die dafür vom Volk gewählt sind."   
Meine Frage ist, wie sich beides miteinander verträgt: Sind die Gesetze 
vernunftbegründet? Dann müssten sie logisch aus Argumentationen und Begründungen 
hervorgehen. Oder sind es Erlasse bestimmter Amtspersonen, die als Gesetzgeber 
diese Gesetze setzen? 
Wenn beides richtig sein soll, so wäre das, was der Bundestag an Gesetzen 
verabschiedet, notwendigerweise vernunftbegründet. Letzteres würde eine völlig 
total unkritische Haltung zum Staat und zum staatlichen Handeln zur Folge haben. 
Also lieber nicht. 
Offenbar hast Du eine Abneigung gegen die Begriffe Ethik und Moral und 
assoziierst diese mit "moralinsauer", "fromm"   und "mittelalterlich". Deshalb 
gehört die Ethik für Dich auf den Müllhaufen der Geschichte. 
Für mich ist jeder Satz, der menschliches Handeln mit dem Anspruch auf 
allgemeine Geltung bewertet und regelt, ein ethischer Satz, Ausdruck einer 
Moral. Ich weiß nicht, als was Du das bezeichnest. 
Nehmen wir zum Beispiel den Satz: "Wenn man eine öffentliche Toilette benutzt, 
dann soll man sie sauber hinterlassen."   Oder den Satz: "In Warteschlangen soll 
man sich hinten anstellen". Soviel ich weiß, handelt es sich in beiden Fällen 
nicht um eine Rechtsnorm. Was sind dies dann für Normen? 
Die Vorstellung, eine Gesellschaftsordnung könne allein auf rechtlichen 
Sanktionsdrohungen beruhen, ohne eine Verinnerlichung von Normen, bedeutet keine "Weiterentwicklung"   sondern ist wirklichkeitsfremd. 
Wo jedermann ohne moralische Skrupel die Rechtsnormen verletzt, wenn es ihm 
gerade  passt und er es unbemerkt tun kann, da hält eine Gesellschaftsordnung 
keine 7 Tage. 
Man kann nicht hinter jedes Mitglied der Gesellschaft einen Polizisten stellen. 
Und wer überwacht wiederum die Polizei? Was hätten wir z. B. für eine 
Rechtsordnung, wenn Richter kein Berufsethos hätten und nach Lust und Laune 
Recht sprechen würden, solange sie keine Strafen zu befürchten haben. 
Um es in der von Dir bevorzugten systemtheoretischen Terminologie zu 
sagen: Soziale Systeme benötigen zu ihrer Selbsterhaltung sozialisierte 
Individuen, die in ihrem Sozialisationsprozess die Werte und Normen dieses 
sozialen Systems verinnerlicht haben. 
Für diese Haltungen und Einstellungen sind die Bezeichnungen "Moral"   (aus dem 
Lateinischen) oder "Ethos"   (aus dem Griechischen) üblich. (Der deutsche Begriff "Sittlichkeit"   ist von sexualfeindlichen Moralisten wohl unwiederbringlich 
zugrunde gerichtet worden.)  
(aus einer Diskussion):
Du vertrittst die Ansicht, das Recht habe die Moral 
abgelöst, die man nun nicht mehr benötige. Dies ist meiner Ansicht nach 
falsch. 
Für mich ist eine rechtliche Norm daran zu erkennen, dass diese Norm staatlich 
sanktioniert und durchgesetzt wird. "Wer x tut, wird mit y bestraft". Die 
Wirkung der Rechtsnorm beruht auf dem angedrohten Übel. 
Der Satz: "Man sollte die Rechtsnormen einhalten, auch wenn man sie ungestraft 
übertreten könnte"   ist jedoch keine Rechtsnorm. Wozu rechnest Du diese Norm?
Wozu rechnest Du Normen wie: "In einer Diskussion soll man andern nicht ins Wort 
fallen"    oder "Sei hilfsbereit und rücksichtsvoll"  ?
Viele Probleme sind wegen der unvermeidlichen Schwerfälligkeit der rechtlichen 
Institutionen nicht "justiziabel"   und werden nach "ungeschriebenen Gesetzen"   
geregelt. Das Auge und der Arm des Rechts reichen bekanntlich nicht überall hin. 
Deshalb muss die Rechtsordnung durch eine moralische Ordnung ergänzt werden.
***
Die normative Ethik – so wie ich sie verstehe - sucht nach 
Antworten auf die Frage: Wie sollen Menschen in bestimmten Situationen handeln? 
Welche Handlungen sind angesichts bestimmter Umstände ethisch geboten, verboten 
oder erlaubt? 
Ein Recht auf Selbstbestimmung ist eine Erlaubnis, bestimmte Handlungen zu tun. 
Auch eine Erlaubnis enthält ein Sollen, zwar nicht für diejenige Person, die 
eine Erlaubnis besitzt, aber für die andern: Ihnen ist es verboten, diese Person 
daran zu hindern, etwas Erlaubtes zu tun. 
Die ethische Frage: "Wie sollen Menschen in bestimmten Situationen handeln?"   ist 
nicht gleichzusetzen mit der rechtspolitischen Frage: "Welche staatlichen 
Gesetze sollten für diese Situationen gelten?", obwohl hier natürlich ein enger 
Zusammenhang besteht. 
Durch die zwei unterschiedlichen normativen Systeme des Rechts und der Moral 
ergibt sich allerdings eine Komplikation. Wenn bereits eine anerkannte 
Rechtsordnung existiert, die eine entsprechende Rechtsnorm enthält, z. B. die 
Anschnallpflicht im Auto, dann ist auch die allgemeine moralische Verpflichtung 
des Staatsbürgers zur Gesetzestreue zu berücksichtigen. Wenn gefragt wird, ob 
jemand in einer bestimmten Situation sich anschnallen soll oder nicht, macht es 
also einen Unterschied, ob es dazu bereits eine einschlägige Rechtsnorm gibt 
oder nicht. 
Siehe auch 
die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
 
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 Letzte Bearbeitung 27.04.2006 / Eberhard Wesche
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